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Reinhold Lopatka hat das strategisch geschickt vorbereitet, der ÖVP-Klubchef hat schließlich seine Kandidatin durchgesetzt: Margit Kraker wird also neue Präsidentin des Rechnungshofs. Die Steirerin wurde im Hauptausschuss des Nationalrats in einem zweiten Wahlgang von einer Mehrheit gewählt, sie erhielt schließlich auch die Stimmen der SPÖ. Diese musste für Kraker stimmen, weil sie aus Sicht der SPÖ das kleinere Übel ist. Das größere wäre Helga Berger gewesen, die einst Büroleiterin von Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer war und demnach als schwarz-blaue Kandidatin gilt.

Roten Kandidaten aufgegeben

Damit hat die SPÖ ihren eigenen Kandidaten Gerhard Steger über die Klinge springen lassen. Steger, der beim Hearing am Mittwoch im Parlament für viele den besten Eindruck hinterlassen hatte, kam im Hauptausschuss am Donnerstag im ersten Wahlgang auf 14 Stimmen, Kraker erhielt acht. Für eine Mehrheit braucht es bei den 28 Abgeordneten im Hauptausschuss aber mindestens 15 Stimmen. Die ÖVP hat ihr Erpressungspotenzial genutzt: Mit ihren acht Stimmen, den sechs der FPÖ und einer Stimme des Teams Stronach hätte sie auch Berger durchsetzen können. Also ist die SPÖ umgefallen, hat Steger aufgegeben und schließlich Kraker gewählt. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Die SPÖ stimmt gegen den eigenen Kandidaten, um eine noch schlimmere ÖVP-Kandidatin zu verhindern.

Das ist eine demokratiepolitische Farce. Der schwarze Klubchef Lopatka hat die SPÖ ziemlich geräuschvoll über den Tisch gezogen.

Schwarze Kandidatin fallengelassen

Lopatka hatte bereits im Vorfeld verhindert, dass sich die Koalitionsfeinde SPÖ und ÖVP auf eine gemeinsame parteiunabhängige Kandidatin, die es gegeben hätte, einigen konnten. Er hat seine Kandidatinnen Kraker und Berger in Stellung gebracht, Berger schließlich als Drohmittel eingesetzt und dann fallengelassen, um jedenfalls eine ÖVP-Kandidatin durchzubringen.

In der Koalition wird das ein Nachspiel haben. Der neue Kanzler Christian Kern hat nun bestätigt bekommen, was er möglicherweise bereits geahnt hatte: Der ÖVP ist nicht zu trauen. Und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner spielt entweder nicht mit offenen Karten oder kann sich in seiner eigenen Partei nicht ausreichend durchsetzen. Zweiteres ist eher wahrscheinlich. Damit ist jedenfalls klar geworden, dass die Koalition nicht miteinander, sondern gegeneinander arbeitet. (Michael Völker, 9.6.2016)