Hardy Hanappi hat mit seinem Team alles durchgerechnet. Kein Zweifel: Österreich gewinnt die Gruppe F souverän.

Foto: TU Wien

Wien – Die gute Nachricht zuerst: Österreich erreicht das EM-Achtelfinale. Damit hat der eine oder die andere schon gerechnet. Aber, schau an, sogar als Gruppensieger und mit drei Siegen aus drei Spielen. Ungarn, Island und selbst die Portugiesen mit ihrem superen Cristiano Ronaldo – kein Problem für die großartigen ÖFB-Kicker. Es folgen die obligatorischen Interviews à la "Wenn Ihnen das vorher jemand gesagt hätte ..." und natürlich das Achtelfinale.

Der dortige Gegner steht auch schon fest: Schweden. Schweden? Da war doch was. Mit einem 4:1-Auswärtssieg fixierte Österreich das EM-Ticket. Daheim hatte man 1:1 gespielt. Also? Das Viertelfinale ist quasi auch schon fix. Wenn es nach der Mathematik geht.

Aber so weit sind wir noch nicht. Derzeit ist nur die Vorrunde durchgerechnet. Ein Team der Technischen Universität (TU) Wien unter der Leitung von Professor Hardy Hanappi, Sohn der Rapid-Legende Gerhard Hanappi, hat ein Computerprogramm entwickelt, das die wahrscheinlichsten Ergebnisse der EM-Spiele vorherberechnet. Und daraus geht eben Österreich als Gruppensieger vor Portugal hervor.

Slowakei überrascht, Italien scheitert

Auch Franzosen, Spanier und Belgier überstehen die Vorrunde ohne Punkteverlust. Deutschland kommt als Zweiter hinter Polen weiter. Die Slowakei gewinnt überraschend die Gruppe B – vor England. Und noch eine Überraschung: Italien scheitert in der Vorrunde – und das gar punktelos.

Wie Hanappi und sein Team zu diesen Ergebnissen kommen? Die Daten aller Länderspiele seit 2012, an denen die Teilnehmer an der EM 2016 beteiligt waren, wurden analysiert. Hanappi: "Jedes einzelne Spiel wird dann am Computer Minute für Minute durchsimuliert – und zwar tausendmal hintereinander." Auch der Zufall wurde eingerechnet.

Viele Parameter

"In jedem simulierten Spiel fallen die Tore anders. Die Wahrscheinlichkeit, dass aus einer Torchance auch ein Tor entsteht, hängt speziell auch noch von der jeweiligen Stürmerqualität, der Abwehrqualität und vielen anderen Parametern ab."

Konzepte aus der Spieltheorie wurden ebenfalls einberechnet: Jede Mannschaft hat ein bestimmtes Bild von der gegnerischen Mannschaft und wird davon in ihrem eigenen Spielverhalten beeinflusst. Am Ende lässt sich dann aus einer großen Sammlung simulierter Fußballspielverläufe abschätzen, welches Ergebnis am wahrscheinlichsten ist.

Hanappi beschäftigt sich am Institut für Stochastik und Wirtschaftsmathematik mit Computersimulationen komplizierter politischer und wirtschaftlicher Prozesse. Dieselben mathematischen Methoden ließen sich, so heißt es in einer Aussendung der TU, aber auch verwenden, um Fußballergebnisse zu modellieren.

Hanappi junior wollte kein Kicker werden

Das Fußballinteresse hat Hanappi quasi in die Wiege gelegt bekommen. Sein Vater, der 1980 verstorbene Gerhard Hanappi, absolvierte 93 Länderspiele für Österreich und gehörte dem Team an, das 1954 bei der WM in der Schweiz Dritter wurde. Übrigens fertigte Österreich in der Qualifikation für dieses Turnier Portugal mit 9:1 ab. Hanappi arbeitete später als Architekt und entwarf unter anderem das Weststadion, das später nach ihm benannt und Ende 2014, Anfang 2015 abgerissen wurde.

Auch sein Sohn Hardy kickte einst, war mit 14 kurz in der Rapid-Jugend. Eine Fußballkarriere peilte er dann aber nicht an. "Fünfmal Training in der Woche war mir zu viel, ich wollte schließlich auch maturieren – und als Sohn eines Jahrhunderttalents ist ein durchschnittlich guter Kicker zu sein einfach zu wenig." Jetzt rechnet er eben Fußball aus. (rie, 8.6.2016)