Der Kandidat setzt die Betroffenheitsmiene auf. Norbert Hofer will "keine andere Wahl" gehabt haben. Mit Sorgenfalten auf der Stirn lässt er seine Freunde via Facebook wissen, es sei "keine leichte Entscheidung" gewesen, die Bundespräsidentenwahl anzufechten. Aber. Als habe man es geahnt, sei es bei der Stichwahl zu einem "eklatanten Rechtsbruch" gekommen. Konsequenterweise fordert man eine Neuaustragung des zweiten Wahlgangs.

Das ist auch deshalb konsequent, weil die Freiheitlichen seit dem knappen Wahlsieg Alexander Van der Bellens keine Gelegenheit auslassen, gegen das Ergebnis Stimmung zu machen. Da werden gezielt Zweifel am rechtmäßigen Zustandekommen des Ergebnisses gesät, da insinuiert der Kandidat bereits am Wahlabend, dass bei den Wahlkarten "immer ein bissl eigenartig ausgezählt" werde.

Im blauen Biotop bekommen die im Netz erhobenen Anschuldigungen eine Eigendynamik, die Heinz-Christian Strache kaum wieder einfangen kann. Verbal macht man munter weiter. Etwa wenn es um den Probegrafik-Dummy geht, den das Innenministerium irrtümlicher- und peinlicherweise am Wahltag für kurze Zeit auf seiner Website veröffentlicht hat. Längst ist der vermeintliche Skandal zur Schlamperei geschrumpft. Nicht so für Strache. Der fragt sich noch immer: "Was wurde denn da probiert?"

Der möchte sich angeblich auch gar nicht vorstellen, was außer dem Vorsortieren von Wahlkarten – das der FPÖ jetzt als Hauptangriffsfläche für den Gang vor den Verfassungsgerichtshof dient – stattgefunden habe könnte. Die blauen Sympathisanten sind alarmiert. Melden einen vermeintlichen Gesetzesbruch nach dem anderen – und werden von Strache selbst dann ernst genommen, wenn angeblich "eine österreichische Kuh" in ein Raumschiff gebeamt wurde.

Verständlich, dass die FPÖ das irgendwann nicht mehr stoppen kann. Und wäre Vernunft bei der Wahlanfechtung eine Kategorie, wäre gegen diese auch nichts einzuwenden. Soll das Gericht prüfen – und die Wahl aufheben. Oder die FPÖ bekommt es schwarz auf weiß, dass der Sieger Van der Bellen heißt. Bloß: Auch dann wird keine Ruhe sein. Dann werden halt die Verfassungsrichter verunglimpft. Wäre ja nicht das erste Mal. Straches Kritik an der Vier-Wochen-Frist, innerhalb derer das Gericht entscheiden muss, heißt nichts anderes als: Wir werden das Ergebnis nicht anerkennen. Wir rütteln weiter an den Grundpfeilern der Demokratie. Bringt es diesmal nichts, nützt es uns das nächste Mal. (Karin Riss, 8.6.2016)