ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz.

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Wien – Die Flottenstrategie des ORF-Fernsehens mit der Neuaufstellung von ORF eins, die neue Struktur. Innovation und Personalentwicklung sind für ORF-Chef Alexander Wrabetz die zentralen Herausforderungen und Schwerpunkte der nächsten Geschäftsführungsperiode des öffentlich-rechtlichen Senders. Wrabetz stellt sich am 9. August der Wiederwahl, Dienstagabend präsentierte er vor Journalisten seine Pläne.

"Die klassische Flottenaufstellung des ORF-Fernsehens mit dem Flaggschiff ORF 2 im Zentrum und ORF eins und ORF III auf den Flügeln ist erfolgreich, sie wird sich aber ändern", so der ORF-Generaldirektor. Die "schwierigsten Veränderungen" erwartet Wrabetz "in den nächsten fünf bis zehn Jahren" bei ORF eins. "US-Kaufserien und Filme werden an Bedeutung verlieren. Die nächste Geschäftsführung muss entscheiden, durch welche Inhalte man diese Programme ersetzt." Eigenproduzierte Serien nach dem Vorbild der "Vorstadtweiber", Kabarett- und Comedy-Formate sowie Dokus wären ein Ansatzpunkt. "Und die Neuaufstellung von ORF eins muss auch multimedial erfolgen."

Mehr Eigenproduktionen für ORF 3

Auch den Kultur-Spartenkanal ORF 3 will Wrabetz weiterentwickeln. "ORF III läuft sehr sehr gut und bietet vom Themen-Montag über den Zeitgeschichte-Samstag bis zum Opern-Sonntag starke Verlässlichkeit. Wir müssen jetzt aber den Anteil an neuen Eigenproduktionen erhöhen." Es brauche etwa "neue dokumentarische Taten" und "neue Opern-Ware". Mit Dokus über die Bundespräsidenten der Republik oder die Außenlager des Konzentrationslagers Mauthausen gebe es bereits erste Ergebnisse. "Das muss weitergehen. Das ist nicht unumstritten, weil die Mittel im ORF knapp sind, aber das wird eine der Schwerpunktsetzungen sein."

Punkto Unternehmenssteuerung, Führung und Struktur tendiert Wrabetz für die Zukunft zu "gemeinschaftlichen Entscheidungen in wesentlichen Fragen". Eine entsprechende Geschäftsordnung für die Geschäftsführung soll diese Thematik regeln. "Das wird den Alleingeschäftsführer zwar nicht seiner Verantwortung entheben, bringt aber mehr Transparenz." Außerdem will der Generaldirektor die Rechte der ORF-Redakteure "verbessern und stärken" und den Journalisten bei Personalentscheidungen mehr Rechte einräumen. "Wenn man sieht, wie in anderen Ländern Europas die Rechte der öffentlich-rechtlichen Redaktionen beschnitten werden, ist das ein gutes Mittel, um die Unabhängigkeit im ORF abzusichern."

Weiter vier Direktionen

Für das ORF-Direktorium wird Wrabetz für die nächste Periode neben dem Generaldirektor fix eine Fernseh-Programm-Direktion, eine Kaufmännische Direktion sowie eine Technische Direktion vorschlagen. "Und eine vierte Direktion. Deren konkrete Ausgestaltung werde ich mir noch überlegen. Es braucht jedenfalls jemanden, der die Radio-Koordination übernimmt und die Interessen der ORF-Radios vertritt." Auch die Verantwortung pro Kanal will Wrabetz mit einer Channel-Struktur stärken. Ein Ö1-Senderchef soll dabei die letzte Lücke im Radio schließen. "Und beim Fernsehen wird es auch Channel Manager für ORF eins und ORF 2 geben."

In der Fernseh-Information plädiert der ORF-Chef weiter für eine Betonung der dezentralen Struktur. "Natürlich soll es eine koordinierende Funktion geben, der vierte Direktor wird aber nicht der zentrale Info-Direktor über alle Medien sein", sagte Wrabetz.

Kein zentraler Chefredakteur

Kritik, wonach Journalisten in der Fernseh-Information es an Objektivität mangeln ließen und eine ordnende Hand brauchten, wies der ORF-Chef zurück. "Ich glaube, dass wir in der Information eine erstklassige Gesamtleistung bringen, auch im Fernsehen. Fast 90 Prozent des Fernsehkonsums rund um die Bundespräsidentenwahl erfolgte bei uns. Das ist auch ein Ausweis für Unabhängigkeit. Und ich nehme es in Kauf, wenn nicht immer alles hundertprozentig funktioniert und auch hie und da Kritik von verschiedener Seite geäußert wird, und gebe dem den Vorzug gegenüber einem zentralen Chefredakteur, der allen Redakteuren anschafft, was zu tun ist, und ein Angst-Regime in den Redaktionen etabliert." Eine Rückkehr zum "System Mück" werde es mit ihm nicht geben, so Wrabetz.

In Sachen Innovation seien "erste konkrete Schritte zum Thema Start-up-Cluster" erfolgt. Kooperationen mit dem Nachrichtendienst Updatemi und der Grußbotschaft-Plattform Greetzly seien in Umsetzung. "Externe Start-ups sind jedoch immer nur ein ergänzendes Element einer Innovationsstrategie. Die eigentliche Innovation muss ein zentrales Element unserer Unternehmenskultur werden und von interdisziplinär arbeitenden 'internen Start-ups' in allen Bereichen getragen werden." Als Beispiel nannte Wrabetz die neue "ZiB 100" oder m.eins, die von jungen Leuten im aktuellen Dienst entwickelt wurden. Innovation nur in einem Bereich zusammenzufassen hält der ORF-Chef jedenfalls für den falschen Ansatz. "Das kann man nicht in die Hand von einem Innovations-Direktor legen."

Ein Drittel geht in Pension

"Entscheidend" in der nächsten Geschäftsführungsperiode, die von 2017 bis 2021 reicht, sei auch die Personalentwicklung des Senders. Wrabetz: "In den nächsten zehn Jahren gehen rund 1.000 von 3.000 ORF-Mitarbeitern in Pension. Die allermeisten davon werden wir nachbesetzen, wenn auch nicht unbedingt im identen Job-Profil. Es entstehen ja ganz neue Anforderungen und Berufsbilder. Für stellt sich dabei die Frage, wie gewinnen wir die Besten der Generation."

Der von der SPÖ unterstützte amtierende ORF-Chef hat seine Wiederbewerbung bereits im Dezember angekündigt. Der von der ÖVP favorisierte Finanzdirektor Richard Grasl wollte Spekulationen über eine Kandidatur bisher nicht kommentieren, er dürfte ein Antreten aber sondieren, ließen Stiftungsräte zuletzt durchblicken. Die Stimmung zwischen ihm und Grasl bezeichnete Wrabetz wegen der ORF-Wahl als angespannt. "Es wäre unrealistisch, wenn ich sage, da ist nichts, und jeder im Raum sieht, es schwebt etwas in der Luft. Das hält uns aber nicht davon ab, gut und professionell zusammenzuarbeiten – etwa jetzt im Finale des Funkhausverkaufs. Ich würde es noch als gute Zusammenarbeit bezeichnen, aber es ist auch gut, wenn es nur mehr 60 Tage bis zur Wahl dauert."

Ende bei unterschiedlichem Konzept

Ob Grasl auch in der nächsten Geschäftsführungsperiode seinem Team angehören wird? "Aus heutiger Sicht würde ich mich freuen, wenn er im Team bleibt", so Wrabetz. "Wenn er sich bewirbt, ein anderes inhaltliches Konzept vertritt und sich nicht durchsetzt, gehe ich davon aus, dass er nicht mehr der Geschäftsführung angehört. Dann gibt es ja unüberbrückbare Auffassungen in wichtigen Fragen, und dann kann ich mir das kaum vorstellen. Hätte ich mich damals gegen Monika Lindner mit meinem Konzept nicht durchgesetzt, hätte ich auch nicht mehr der Geschäftsführung angehört." (APA, 8,6.2016)