Die Bundespräsidentenwahl ist glücklich abgeschlossen (falls nicht in letzter Minute ein rechtlich stichhaltiger Einspruch erfolgt), da steht die nächste Präsidentenwahl an: Im Rechnungshof wird der wichtigste Kontrollposten der Republik vergeben – in der Praxis wahrscheinlich ein wichtigerer Job als jener in der Hofburg.

Glaubt irgendjemand ernsthaft daran, dass die Parteien hier die bestmögliche Person wählen wollen, damit ihnen genau auf die Finger geschaut werden kann? Die Vorgangsweise der vergangenen Tage sieht nicht danach aus – auch wenn der ÖVP-Klubchef treuherzig versichert, dass seine Mehrheitssuche jenseits der Koalitionsräson ja ausschließlich diesem hehren Ziele geschuldet sei. In Wirklichkeit geht es mehr um Macht als um deren Kontrolle. Der Machtausübung könnte man, wenn es hart auf hart geht, auch die Koalition opfern, auch wenn das niemand so sagen würde.

Allerdings darf man bei all dem Misstrauen nicht die Hoffnung aufgeben, dass tatsächlich eine Kandidatin oder ein Kandidat beim Hearing am Mittwoch so überzeugend auftritt, dass sich auf natürliche Weise eine Mehrheit findet – ob mit oder ohne ÖVP. Deren Gezetere für letzteren – und sehr unwahrscheinlichen – Fall kann man sich vorstellen. Aber es wäre ein Zeichen für lebendigen Parlamentarismus. Gleichzeitig käme die Frage neuerlich aufs Tapet, ob man nicht statt des Bundespräsidenten den Rechnungshofpräsidenten vom Volk wählen lassen sollte. (Conrad Seidl, 7.6.2016)