Wien/Budapest – Ungarn will keine Flüchtlinge aufnehmen, für die es nach der EU-Dublin-Verordnung zuständig wäre. "Nein, Ungarn wird niemanden zurücknehmen", sagte der ungarische Regierungssprecher Zoltan Kovacs am Montag vor Journalisten in Wien. Budapest macht damit dem Plan von Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP), "Dublin-III-Fälle" bald wieder ins Nachbarland zurückzuführen, einen Strich durch die Rechnung.

Kovacs begründete die europarechtswidrige Position seiner Regierung mit den chaotischen Zuständen im vergangenen Sommer und Herbst. Damals hätten aus Österreich kommende Konvois Flüchtlinge abgeholt, während Deutschland mit seiner Ankündigung, "alle aufzunehmen", eine Einladung an die Flüchtlinge ausgesprochen habe", berichtet "Die Presse". Deshalb fühle sich Budapest jetzt nicht zuständig für jene Flüchtlinge, die durch Ungarn nach Österreich gereist waren.

Rückführungen ausgesetzt

Laut dem Dublin-System ist jener EU-Staat, den ein Asylbewerber als erster betreten hat, für diesen zuständig. Österreich hat die Rückführungen von Asylbewerbern nach Ungarn infolge eines Urteils des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) im vergangenen September ausgesetzt. Die Höchstrichter hatten vor dem Hintergrund des damaligen massiven Zustroms von Flüchtlingen nach Ungarn die Rückführung einer Afghanin mit drei Kindern abgelehnt, weil ihr in Ungarn "unmenschliche Behandlung" gedroht hätte. Allerdings hielt der VwGH fest, sein Erkenntnis dürfe "nicht so verstanden werden, dass damit abschließend über die Frage entschieden würde, ob die aktuelle Lage in Ungarn einer Rücküberstellung von asylwerbenden Parteien im Allgemeinen entgegensteht".

Die meisten Flüchtlinge betreten in Griechenland EU-Territorium. Nach Griechenland sind Rückführungen aber schon seit Jahren nicht möglich, weil Asylbewerbern dort laut dem EuGH eine Verletzung von Grundrechten droht. Inbezug auf Ungarn gibt es noch keine entsprechende europaweite Rechtsprechung.

Das Innenministerium will die Rückführungen nach Ungarn nun wieder aufnehmen und schickt laut "Presse" Mitte Juni eine Delegation ins Nachbarland, die sich ein Bild von der Lage des Asylsystems machen soll. Offenbar sollen im Rahmen dieser Mission Argumente gesammelt werden, damit Rückführungsbescheide die Prüfung durch den VwGH überstehen. Eher von politischer Relevanz ist das Argument, dass unter dem EU-Türkei-Deal neuerdings auch Flüchtlinge in die Türkei zurückgebracht werden. Ministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck sprach gegenüber der "Presse" von einer "Diskrepanz", dass in den EU-Staat Ungarn keine individuellen Rückführungen möglich seien, in die Türkei hingegen schon. (APA, 6.6.2016)