Außenminister Sebastian Kurz hat den Rechtspopulismus sicher nicht erfunden, aber er beherrscht dieses Instrumentarium mittlerweile mit einer Behändigkeit, die einem Achtung oder auch das Gegenteil davon abringen kann. Sein jüngster Vorschlag, Flüchtlinge wie Strafgefangene auf eigenen Gefängnisinseln zu internieren und sie so rasch wie möglich wieder nach Hause zu schicken, ist dafür ein gutes Beispiel. Die Aufmerksamkeit der Medien ist ihm gewiss, auch international hat sein Vorstoß Niederschlag gefunden, nicht unbedingt zur besseren Reputation Österreichs.

Kurz als publicitygeilen Populisten abtun zu wollen, der nur nach Aufmerksamkeit heischt, wäre zu kurz gegriffen. Es geht ihm auch nicht nur darum, die ÖVP politisch weiter rechts zu verorten, auch wenn ihm die eigene Positionierung und die seiner Partei durchaus ein Anliegen ist.

Sebastian Kurz verfolgt seine Vorstöße zu einer Verschärfung der internationalen Flüchtlingspolitik mit nahezu missionarischem Eifer, auch wenn ihm – oder vielleicht gerade auch weil ihm – bewusst ist, dass die Chancen für eine Umsetzung in absehbarer Zeit nicht sehr realistisch sind. Die ÖVP-Nachwuchshoffnung handelt aus einer tiefen Überzeugung heraus: dass die Flüchtlinge Europa und damit auch Österreich überlaufen werden; dass nicht wir die Flüchtlinge, sondern wir uns vor den Flüchtlingen schützen müssen.

Kurz kann das durchaus argumentieren, und er tut das mit Verve: Was ist, wenn auf die Syrer, Afghanen und Iraker auch die Libyer, Marokkaner und Tunesier folgen? Auf den Weg haben sich viele bereits gemacht. Was passiert, wenn es in den großen afrikanischen Krisenherden Mali, Nigeria, Somalia oder Sudan zu einer großen Aufbruchsbewegung kommt? Darauf gibt es in der Tat keine zufriedenstellende Antwort. Außer einer: Das schaffen wir nicht. Der Lösungsansatz des Außenministers: Gefängnisinseln, Abschottung, die Flüchtlinge zurückschlagen.

Für einen christlich-sozialen Politiker ist das eine überraschend radikale Herangehensweise. Aber es kann doch nicht sein, dass ein verantwortungsbewusster, europäischer Politiker als Maßnahme die totale Abschreckung propagiert. Es mag "naiv" sein, aber offenbar ist es notwendig, darauf hinzuweisen: Das sind Menschen. Sie sind auf der Flucht, und es gibt schreckliche Gründe dafür: Not und Elend, Kriege, die sie nicht begonnen haben, Kinder, die sie schützen müssen. Es geht um ihr Leben. Man kann diese Menschen nicht nur zurückschlagen oder internieren. Man muss ihnen, wo es geht, auch helfen.

Es ist erschreckend, wie kaltschnäuzig Kurz seine Vision einer Abschreckung hinunterargumentiert. Es wäre seine Aufgabe, Lösungsansätze aufzuzeigen, die Asylpolitik nicht auf das Ein- und Wegsperren reduziert, die nicht auf Angst und Schrecken – bei den Bürgern im Inland wie unter den betroffenen Flüchtlingen – fußen, sondern die konstruktiv ineinandergreifen, die eine internationale Vernetzung und Solidarität bedingen.

Vorschläge gibt es viele, es mangelt an der Unentschlossenheit und der zögerlichen Umsetzung der Staatengemeinschaft. Das Thema ist zu komplex, als dass es eine einfache Antwort geben könnte. Wer diese zu haben vorgibt, lügt. Gefängnisinseln sind mit Sicherheit keine Lösung. In einer solchen Gesellschaft würde auch Sebastian Kurz nicht leben mögen. (Michael Völker, 6.6.2016)