Wenn schon dieser Tage überall das politische Establishment abgestraft wird, warum dann nicht auch in Rom? Das haben sich wohl viele Wählerinnen und Wähler gedacht, als sie am Sonntag bei Virginia Raggi, Kandidatin der Protestpartei des Komikers Beppe Grillo, ihr Kreuzerl machten und sie mit einer deutlichen Mehrheit für die Stichwahl in zwei Wochen ausstatteten. Schließlich hat es – folgt man dieser Logik – genau diese Elite zu verantworten, dass Rom nach jahrzehntelangem Missmanagement mit gröbsten infrastrukturellen und sozialen Problemen zu kämpfen und überdies einen Schuldenberg von 25 Milliarden Euro angehäuft hat.

Unter allen Polit-Jobs in Italien ist der des römischen Bürgermeisters ein besonders heikler – und erfahrungsgemäß auch ein aussichtsloser. Raggi droht das Schicksal ihrer Vorgänger Francesco Rutelli, Walter Veltroni, Gianni Alemanno und Ignazio Marino: Sie alle bissen sich letztlich an der weithin als reformresistent und korrupt geltenden Stadtverwaltung die Zähne aus – und zwar gewaltig.

Doch auch wenn Raggi scheitern sollte: Der machtbewusste sozialdemokratische Ministerpräsident Matteo Renzi muss sich künftig weniger vor der Rechten fürchten – Forza Italia und Lega Nord sind nicht auf Schlagdistanz –, sondern ausgerechnet vor einer Protestbewegung, die eigentlich nie Regierungspartei sein wollte. Auch in Italien wird die Politik grundlegend neu geschrieben. (Gianluca Wallisch, 6.6.2016)