Malerei von Shimon Minamikawa als Teil einer vitalen Performance von Ei Arakawa: "Paris Adapted Homeland" (2013).


Foto: Ei Arakawa

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Malerei unter Strom? Bild von Jana Euler ("Where the energy comes from", 2014).


Foto: Stefan Altenburger, Photography Zürich Ringier

Wien – Ja, sie performt, die Malerei! Sie schwitzt auf dem Laufband, bleibt immer in Bewegung, ist so lebendig, so vital. Yeah! Die Malerei hat sich im 21. Jahrhundert Muckis antrainiert, "Skills" gelernt. Malerei kann heute nicht nur das mit der kontemplativen Versenkung (beziehungsweise pfeift sie drauf), nein, sie kann Action, Raum, Zeit: Sie ist Fotografie, Film, Objekt, Performance – und am besten alles zugleich.

Ganz so wie im herrlichen Video Paris Adapted Homeland (2013), in dem Ei Arakawa Gemälde des Kollegen Shimon Minamikawa wie Gesichter vor den Kopf hält, sich zum Körper der Malerei macht – und während er über ein Laufband joggt, sorgt der Greenscreen für wechselnde Kontexte. Die mehrfach totgesagte Malerei hat sich alle anderen Medien einverleibt. Auch so kann man überleben, als Kannibale, ja Bilderweltenfresser – wie es Andy Warhol und Robert Rauschenberg im Mumok einmal mehr vorführen.

Aber tritt die Malerei womöglich auf der Stelle beim Versuch, ihre Lebendigkeit und Medien- wie Weltgewandtheit zu beweisen? Vielleicht kreist sie dabei auch ein bisschen zu sehr um sich selbst? So könnten auch zwei Thesen zur Ausstellung Painting 2.0 im Mumok lauten. Dass in dieser Ausstellung, in der die Befindlichkeit einer Gattung so übermächtig behandelt wird, niemand die Malerei als Patientin auf der Psychoanalytiker-Couch dargestellt hat, wundert fast schon ein bisschen.

Aber die Schau propagiert ja eher die strotzende Gesundheit der Malerei: Warum gab es gerade in dem Moment, in dem das Internet – und damit das Digitale – dermaßen durchschlug, einen solchen Hype der Malerei, einem eigentlich vormodernen Medium?

Thesensüppchen

So die Ausgangsfrage, die Achim Hochdörfer nicht mit der Entschleunigung in einer sich immer schneller drehenden Welt beantwortet wissen will. Eher noch sieht er es als Fetischisierung eines veraltenden Mediums, so wie die Vinylliebhaberei. Hochdörfer, einst Kurator am Mumok, nun Direktor des Museum Brandhorst, nahm die Frage von Wien nach München mit: Die gefundenen Antworten gelangten dort Ende 2015 erstmals zur Aufführung, in Wien findet die Wiederaufnahme mit rund 230 Werken auf vier Ebenen statt. Dass das alles andere als aus einem Guss geraten ist, liegt daran, dass die Co-Kuratoren Manuela Ammer (Mumok) und David Joselit (New York) ihre eigenen Thesensüppchen kochten.

Eine alternative Kunstgeschichtsschreibung jenseits von Genies, Geste und Kontemplation ist das nicht geworden, vielmehr eine Suchbewegung nach Bildern, die den nicht stattgefunden habenden Tod der Malerei begründen. Die Argumente der Bilder sind qualitativ oft unüberzeugend (von einer Erweiterung des Kanons ist man weit entfernt). Für Painting 2.0: Malerei im Informationszeitalter setzte man in den 1960er-Jahren an. Aber genau dieser historische Zugang verträgt sich mit dem Titel eigentlich nicht. Denn "Web 2.0" steht für Rückkoppelung: Leser/Zuschauer wurden selbst zum Sender, befüllen Blogs, geben unmittelbares Feedback. Die Interaktion machte das Internet zur Kommunikationsrevolution. In den 1960ern waren zwar die Massenmedien erfunden, der Empfänger, der war jedoch noch der große Unbekannte.

2.0 sei eher eine Metapher für etwas, was man neu denkt, verteidigt Hochdörfer den Titel. Wäre dann "Rethinking Painting" nicht logischer gewesen? Ein Drama ist es freilich nicht, aber der Verdacht liegt nahe, der Schwamm könne nicht nur im Titel stecken.

Mit einem Schalk wie Kippenberger hat Hochdörfer das Bildermonstrum Painting 2.0 gut aufgezäumt: Der ließ sich von seinem Assistenten Ende der 1980er einen kompakten retrospektiven Remix seiner Werke malen, fotografierte alles ab, druckte und rahmte im Ausgangsformat und stampfte anschließend die Originale ein, nicht ohne die Bilderleichen im Container in die Installation Heavy Burschi zu integrieren.

Man zeigt die trotzigen Revoluzzer wie Jörg Immendorff, die die Beuys'schen, auf gesellschaftliche Teilhabe gerichteten Begehrlichkeiten – Hört auf zu malen – einfach mit einem großen gestischen X durchkreuzten. Yves Klein hob den Körper ins Bild, indem er ihn als Pinsel verwendete, in aktionistischen Körpermalereien wurde der Körper zur Leinwand, Keith Haring brachte die Malerei in die U-Bahn und damit in den öffentlichen Raum, und Steven Parrino machte die Zerstörung des Bildes überhaupt zum ästhetischen Prinzip. Bräche die Erzählung hier ab, es wäre besser. (Anne Katrin Feßler, 6.6.2016)