Wenn man die wichtigsten Ereignisse und politischen Erklärungen während des amerikanischen Präsidentenwahlkampfes Revue passieren lässt, ist es verständlich, dass die unverhohlene Sorge um die Zukunft der demokratischen Weltmacht und um die Folgen für die Weltpolitik im Falle eines Sieges von Donald Trump den Ton der meisten Berichte prägt. Spät, aber hoffentlich nicht zu spät hat Hillary Clinton kürzlich in einer außenpolitischen Grundsatzrede gezeigt, warum es brandgefährlich wäre, den cholerischen Multimillionär ohne elementare Grundkenntnisse der Weltpolitik an die Schalthebel der Macht zu lassen. Sie hat mithilfe seiner eigenen Äußerungen Trump als Sicherheitsrisiko für Amerika und die Welt bloßgestellt.

Trump will bekanntlich eine Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen, den Muslimen die Einreise in die USA verweigern, die elf Millionen Einwanderer aus Mittel- und Südamerika notfalls mit Gewalt deportieren. Clinton ging auch mit Trumps Bereitschaft ins Gericht, sowohl Saudi-Arabien als auch Japan atomar zu bewaffnen, Trump bewundere autoritäre Herrscher. Er würdigte die Niederschlagung des Volksaufstandes vom Platz des Himmlischen Friedens 1989 als Beispiel für "Macht durch Stärke" und die Führungsstärke Wladimir Putins. "Ich überlasse es den Psychiatern, seine Zuneigung für Tyrannen zu ergründen", sagte Clinton.

Nach seinen wichtigsten außenpolitischen Beratern gefragt, erklärte Trump kürzlich, er sei selbst sein wichtigster Ratgeber, "weil ich ein sehr gutes Hirn besitze und viel gesagt habe". Trump hat die Nato für "obsolet" erklärt und behauptet, er kenne Russland gut, weil er dort eine Miss-Wahl organisiert habe. Clinton hat zu Recht den Showman der politischen Provokation entlarvt. Ein so "dünnhäutiger Mann" dürfe nie an die Codes für Atomwaffen gelangen, denn wenn ihn jemand reize, dann könnte er "uns in einen Krieg führen".

Auch der 74-jährige sozialistische Senator Bernie Sanders fordert einen Rückzug aus der Weltpolitik, um vor allem die Mittel des Landes auf den überfälligen Ausbau des Sozialstaates zu konzentrieren. Die linke Herausforderung durch Sanders ist für Clinton nicht ungefährlich, weil sie als viel zu gut bekannte Vertreterin des "Establishments" bei den weißen Arbeitern und der vom sozialen Abstieg bedrohten weißen Mittelklasse wenig Vertrauen genießt. Ist es also möglich, dass die Mehrheit der Amerikaner einen so offensichtlich unqualifizierten und untauglichen Kandidaten wie Donald Trump zum Oberbefehlshaber der größten Militärmacht der Welt wählt?

Der Milliardär baut auf die Angst der Modernisierungsverlierer, die er ähnlich wie die europäischen Rechtspopulisten mit Angstparolen in Bezug auf die Fremden gewinnen will. Manche amerikanische Politologen vergleichen Trump sogar mit Mussolini. Er spiele virtuos wie dieser mit Massen und setze auf aggressiven Nationalismus und soziale Opferparolen, sagt der Faschismusforscher Robert Paxton. Der Zorn der Verlierer gegen die wenigen Gewinner des kapitalistischen Wirtschaftssystems erinnert sogar laut dem Publizisten Andrew Sullivan an die 30er-Jahre, an die Weimarer Republik in Europa. (Paul Lendvai, 6.6.2016)