Ein altes Fauteuil, da ist Vorsicht geboten. Auch das Wort ist, Achtung Schülerinnen und Schüler, eine beliebte Rechtschreibfalle.

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Spektakuläre Exemplare der Toilettenkultur werden in Gmunden ausgestellt.

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Gepolstert, bequem und weich, aus Leder oder mit bunten Baumwoll- oder Polyester-Bezügen, im Katalog eines schwedischen Einrichtungshauses mit Namen wie Stockholm, Muren, Ektorp oder Karlstad versehen, ein Sitzmöbel mit Armlehnen, manchmal auch Kopfstütze, im Katalog auch Polster-, Arm- oder Ohrensessel genannt, Schülerinnen und Schüler, Achtung: Rechtschreibfalle!

Im "Erec" von Hartmann von Aue gibt es eine Textstelle, in der der lexikalische Vorgänger unseres Fauteuils vorkommt. So heißt es in den Versen von 6424 bis 6433:

swie vil er doch sie gebat,
sô enwolde si niht von der stat,

unz er si alsô betwanc:
er zôch si hin sunder danc,
wan si enmohte im niht gestrîten.
er ensazte si niht besîten:
ir wart ein valtstuol vor gesat

ze tische engegen, als er bat,
daʒ er die frouwen
deste baʒ möhte schouwen.

Wie sehr er sie auch bat,
sie wollte sich nicht von der Stelle bewegen,
bis er sie zwang.
Er zog sie gegen ihren Willen weg,
denn sie war wehrlos ihm gegenüber.
Er setzte sie nicht an seine Seite,
sondern es wurde ihr ein Faltstuhl hingestellt,
am Tisch ihm gegenüber, wie er es befahl,
sodass er die Edeldame
umso besser betrachten könne.

Faltstühle oder Klappstühle waren schon in der Antike beliebt. Die alten Ägypter, auch die Römer und Griechen kannten sie. Manche jahrtausendealten Exemplare sehen aus wie die heutigen Campingklapphocker. Später erhielten sie Rückenlehne und Armstützen. Faltstühle erfreuen sich noch immer großer Beliebtheit, weil sie platzsparend und vielseitig einsetzbar sind, leicht zu transportieren und weil sie sowohl im Inneren von Gebäuden als auch im Außenbereich recht nützlich sind. Da sie auch im Feld aufgestellt wurden, kam es, dass Faltstühle fälschlich in Feldstühle (nicht zuletzt auch wegen der lautlichen Ähnlichkeit) umgedeutet wurden.

Das Wort Fauteuil (der oder das1) ist seit dem 18. Jahrhundert im Deutschen belegt. Da sich aber die Gebrüder Grimm scheuten, Fremdwörter, die sich zu ihren Lebzeiten bereits eingebürgert hatten, in ihre Wortsammlung aufzunehmen, findet sich im Grimm’schen Wörterbuch nur der Eintrag Faltstul [sic!] mit den Belegen: althochdeutsch faldistuol, mittelhochdeutsch valtstuol, altenglisch fealde-stōl.

Der altsächsische faldistōl wurde latinisiert zu faldestolium/faldestorium, dann im Altfranzösischen als faudesteuil aufgenommen, und schon wandert der einst schlichte Klappsessel Jahrhunderte später als gepolstertes und gemütliches Fauteuil ins Deutsche zurück, wo es sich im Kreise der Sitzmöbel2 gemütlich macht.

Es findet Platz neben Schaukel-, Lehn- und Hochstuhl, Küchen-, Wohnzimmer- und Fernsehsessel (der Bürosessel macht Überstunden), Fußschemel (der Melkschemel bleibt im Kuhstall), Barhocker und Klavierstockerl. Der reich verzierte Thron steht etwas erhöht und abseits, der Heilige Stuhl hält im Vatikan Audienz, spricht fließend Latein und nennt sich Sancta Sedes. Der Behandlungsstuhl zittert verängstigt in der Zahnarztpraxis, der Webstuhl freut sich, dass er ergotherapeutisch von Nutzen ist, nur der Leibstuhl wurde vor langer Zeit schon ins Museum verbannt. In der Kirche kniet andächtig der Beichtstuhl und hofft auf Vergebung der Sünden. In einigen Bundesstaaten der USA röchelt der elektrische Stuhl und haucht das Leben aus. Nachdem er ca. 120 Jahre im Einsatz war, hat ihm die Giftspritze vor etwa zehn Jahren den Garaus gemacht. Der heiße Stuhl beantwortet bei Jauch oder Assinger knifflige Fragen und hofft auf Millionengewinn. Wenn er auf 500 Euro hinunterstürzt und das nicht verkraftet, wird ihm Gruppentherapie angeraten.

Was wären Häuser ohne Dachstuhl? Hier bezeichnet Stuhl ein hölzernes Gerüst, eine tragende Stützkonstruktion. Eine wörtliche Interpretation des Dachstuhls finden wir im Nonseum in Herrenbaumgarten. Auch der Glockenstuhl in der Kirche ist ein stabiles Tragwerk aus Eichenbalken, die der Glocke das freie Schwingen ermöglichen.

Wie die obigen Beispiele zeigen, ist der Stuhl3 (gotisch stōls "Stuhl", alt- und mittelhochdeutsch stuol, altenglisch stōl "Stuhl, Sitz, Thron", neuenglisch stool "Hocker, Schemel, Stockerl") im modernen Sprachgebrauch sehr vielseitig, er ist nicht nur ein Sitzmöbel, er steht auch metaphorisch für ein hohes Amt (Lehrstuhl, Papststuhl, Richterstuhl). Der Predigtstuhl ist eine veraltete Bezeichnung für die Kanzel in der Kirche, er ist auch ein Berg von 1600 Metern in den Berchtesgadener Alpen, Bayern. In Flur- und Ortsnamen kommt der Wortbestandteil -stuhl- häufig vor. Er weist meist auf eine Stufe, eine stuhlähnliche Stelle im Gelände hin, so zum Beispiel in Stuhlfelden im Oberpinzgau. Näher bei Wien liegt das nur eine Autostunde entfernte und im Winter sehr beliebte Skigebiet Stuhleck.

In der Medizin bezeichnet Stuhl das, was wir täglich ausscheiden, Kot, Exkremente. Bevor im 19. Jahrhundert die ersten WCs aus Keramik Verbreitung fanden, gab es sogenannte Leibstühle. Das Wort Stuhlgang bezeichnet wortwörtlich den Gang zum Leibstuhl. Das war ein spezieller Sessel aus Holz, in dessen Sitzfläche ein Nachttopf eingebaut war, der den Kot aufnahm. Nach erledigtem Geschäft wurde, um Geruchsbelästigung zu vermeiden, der mit einem Deckel verschlossene Leibstuhl (samt Kot = Stuhl) vom Personal aus dem Zimmer getragen.

Wer sich für spektakuläre Exemplare der Toilettenkultur interessiert, fahre nach Gmunden, wo es seit April 1998 ein Museum für historische Sanitärobjekte gibt. Das Wort "Toilette" ist eigentlich eine Verniedlichungsform und bedeutet "Tüchlein" (von französisch toile "Tuch" zu lateinisch tēla aus *texla "Gewebe, Tuch"). "Toilette" wurde im 18. Jahrhundert entlehnt und bezeichnete zunächst ein Kosmetiktüchlein, dann ein Tuch, hinter dem sich diejenigen ziemlich schamhaft versteckten, wenn sie ihre Notdurft verrichteten. Das Tuch diente aber auch dazu, den (Leib-)Stuhl abzudecken. Die Reichen benutzen schon seit dem Mittelalter in Wasser getränkte Leinenfetzen zum Abwischen des Allerwertesten. Neben der Bezeichnung für das stille Örtchen beziehen wir uns mit "Toilette" auch auf festliche Kleidungsstücke und auf das ganze Procedere der Körperpflege und des Ankleidens, wofür manche Damen heute noch eine Übergebühr an Zeit beanspruchen.

Angefangen von Potschamperln4 aus Porzellan mit nachempfundenem Meißner Zwiebelmuster, allerlei Leibschüsseln und Bourdalous5, Urinalen aus Steingut und Zimmerbidets hin bis zu den ersten Flachspül-WCs gibt’s in Gmunden jede Menge einmalige Kuriositäten zu bestaunen, da fallen Sie fast vom Stuhl. (Sonja Winkler, 6.6.2016)