In Österreich erkranken jährlich rund 1.200 Menschen an Nierenkrebs. Das Problem liegt darin, dass bei einem beträchtlichen Teil der Betroffenen die Krankheit erst spät diagnostiziert wird. Für solche Patienten sollte es möglichst viele anwendbare Arzneimittel geben. Beim amerikanischen Krebskongress (ASCO) in Chicago gab es dazu die Präsentation einer Studie mit "Wiener" Beteiligung.

Der ASCO-Kongress ist jährlich die bedeutendste Konferenz der Onkologen weltweit. Die Publikation der sogenannten "METEOR"-Studie zum Nierenzellkarzinom erfolgte dort gleichzeitig mit der Veröffentlichung der gesamten wissenschaftlichen Arbeit in "Lancet Oncology". Federführend war Toni Choueiri vom Dana-Farber Krebsinstitut (Boston/USA). Beteiligt an der Studie waren auch Wiener Spezialisten (Klinische Abteilung für Onkologe von MedUni Wien und AKH) unter Co-Autorin Manuela Schmidinger.

An sich haben sich die medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten beim Nierenzellkarzinom – speziell auch für Patienten, bei denen ein heilender chirurgischer Eingriff nicht mehr möglich ist – in den vergangenen Jahren deutlich verbessert.

Wachstum hemmen

Zu den verwendeten Medikamenten zählen Hemmstoffe des Signalweges über den Wachstumsfaktor VEGF (VEGFR-Tyrosinkinasehemmer; z.B. Sunitinib). Wenn das nicht mehr wirkt, gibt es ähnliche Substanzen wie Sorafenib, den mTOR-Inhibitor Everolimus (ursprünglich ein Transplantationsmedikament zu Hemmung de Abstoßungsreaktion) oder den monoklonalen Antikörper Nivolumab. Dieser Biotech-Wirkstoff gehört zur den neuen Krebsimmuntherapeutika, welche den Tumor wieder durch das Abwehrsystem des Patienten erkennbar und angreifbar machen sollen.

Die Wissenschafter erprobten mit Cabozantinib einen neuen Wirkstoff, der in Tumorzellen die dort überaktiven Wachstumssignale gleich über drei Enzyme blockiert: VEGFR, MET und AXL. Als Vergleichsmedikament wurde Everolimus (mTOR-Inhibitor) verwendet.

Insgesamt wurden 658 Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom aufgenommen, welche bereits einen VEGFR-Inhibitor bekommen hatten, bei denen das Medikament aber seine Wirksamkeit verloren hatte. 330 von nahmen einmal täglich eine Tablette mit Cabozantinib (60 Milligramm) ein, 328 schluckten täglich einmal zehn Milligramm Everolimus. Die Beobachtungszeit betrug im Durchschnitt 18,7 Monate.

Lebenszeit verlängert

Mit dem Mehrfach-Enzymhemmer waren die Behandlungsergebnisse deutlich besser. Die durchschnittliche Überlebenszeit in der Patientengruppe mit Cabozantinib als Medikament betrug 21,4 Monate, jene in der Everolimus-Gruppe 16,5 Monate. Die Häufigkeit eines Fortschreitens der Erkrankung halbierte sich innerhalb der Beobachtungszeit unter den Patienten, welche Cabozantinib erhielten im Vergleich zur zweiten Patientengruppe. Auf die Behandlung sprachen laut den Röntgenbefunden 17 Prozent der mit dem Enzymhemmer Behandelten an, hingegen nur drei Prozent unter den Patienten, welche Everolimus erhielten.

Jeweils rund 40 Prozent der Patienten hatten unter den Therapien aber auch deutliche bis schwere Episoden von Nebenwirkungen. Insgesamt dürften drei Todesfälle unter den Schwerkranken auf die onkologische Behandlung zurückzuführen gewesen sein.

Dosierung präzisieren

Je schwerer eine Krebserkrankung ist, desto mehr Risiken bezüglich Nebenwirkungen werden in Kauf genommen. Jedenfalls sollte – laut den Wissenschaftern – Cabozantinib als neuer Behandlungsstandard für solche Nierenzellkarzinompatienten in Betracht kommen. Gleichzeitig sollten die Behandelten sehr genau auf Nebenwirkungen kontrolliert und eventuell eine Dosisanpassung durchgeführt werden, schrieben die Autoren.

Jährlich sterben in Österreich mehr als 400 Patienten an der Erkrankung. In zwei Drittel der Fälle wird die Diagnose im lokal begrenzten Stadium gestellt, in einem Sechstel als regional fortgeschrittene Erkrankung, in einem weiteren Sechstel im metastasierten Stadium.

Im Frühstadium mit einem auf die betroffene Niere beschränkten Tumor unter sieben Zentimeter Größe liegt die Fünf-Jahres-Überlebensrate bei 81 Prozent, sind bereits die Niere umgebende Lymphknoten befallen, beträgt sie nur noch 51 Prozent und sinkt bei Metastasen in anderen Organen auf nur noch acht Prozent. (APA, 7.6.2016)

Originalstudie:

Cabozantinib versus everolimus in advanced renal cell carcinoma (METEOR): final results from a randomised, open-label, phase 3 trial