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Bier einschenken, das geht, wie ein Test bei der Hannover Messe zeigte, computergesteuert schon recht gut. Das Bier trinken muss und will der Mensch aber wohl noch lange selbst. Die digitale Vernetzung wird in absehbarer Zeit mitentscheidend sein für den Wettbewerbserfolg.

Foto: Reuters / Nigel Treblin

Wien – Die einen sprechen von Revolution, die anderen führen lieber das Wort Evolution im Mund. Klar aber ist, dass die fortschreitende Digitalisierung in der Unternehmenswelt jahrzehntelang gewohnte Geschäftspraktiken über den Haufen werfen wird.

"Wir stehen an einer Weggabelung; jetzt entscheidet sich, ob ich langfristig dabei bin oder nicht", sagte Michael Klemen, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik in Österreich (BMÖ), im Gespräch mit dem STANDARD.

Mitdenkende Lösungen

Das Bewusstsein über die Bedeutung und zunehmende Wichtigkeit digitaler Vernetzung sei, verglichen mit der Situation vor einem Jahr, gestiegen; noch wenige Unternehmen aber wüssten, wie sie die Anforderungen des Internets der Dinge, im deutschsprachigen Raum besser bekannt als Industrie 4.0, tatsächlich umsetzen könnten, sagte Klemen. Er ist auch CEO und Co-Gründer eines vor wenigen Monaten auf den Weg gebrachten Start-ups.

Die Internet of Things 4.0 Systems GmbH, so der Name des Unternehmens, das seinen Sitz im Klagenfurter Technologiepark Lakeside hat, beschäftigt sich mit Softwarelösungen. Einer der wichtigsten Kunden sei die auf Zutritts- und Parksysteme spezialisierte Firma Skidata. Wenn beispielsweise die Tickets im Automaten zur Neige gehen, löst die Software automatisch einen Bestellvorgang aus. Sie schlägt auch Alarm, bevor der Bezahlautomat in der Parkgarage durch Münzen oder Banknoten verstopft ist. Viele andere Einsätze seien denkbar, sagte Klemen. Und – die Software sei selbstlernend, optimiere sich also permanent.

An der richtigen Schraube gedreht

Viel dazugelernt hat man laut Eigenangaben auch in einem anderen Unternehmen, das auf den ersten Blick eher der Old Economy zugehörig scheint – beim Schraubenhändler Bossard. 1831 von Johann Franz Kaspar Bossard im schweizerischen Zug als Eisenhandlung gegründet, ist das Familienunternehmen inzwischen an etwa 60 Standorten in Europa, Amerika und in der Asien/Pazifik-Region vertreten. Bossard gehört zu den Vorreitern der Industrie 4.0.

"Wir sind seit 15 Jahren mit dieser Thematik befasst", sagte Kai von Buddenbrock, Geschäftsführer von Bossard Österreich. Am Sitz der Niederlassung in Schwechat sind gut 30 Mitarbeiter beschäftigt. "Der verstorbene Firmenchef Heinrich Bossard war ein Visionär, er hat schon vor 20 Jahren gesehen, wo sich das Management der C-Teile hinbewegt", sagte Buddenbrock.

Wägesystem informiert Lieferanten

C-Teile sind solche mit untergeordneter Bedeutung für das Endprodukt, niedrigpreisig, aber mit vergleichsweise hohem Beschaffungsaufwand verbunden wie zum Beispiel Schrauben oder andere Verbindungsteile. Bossard hat beim steirischen Umwelttechnikspezialisten Komptech in Frohnleiten ein innovatives Wägesystem implementiert, das den Lieferanten in Echtzeit informiert, wo was entnommen wurde.

"Jede Box steht auf einer Waage. Verändert sich das Gewicht um eine vorher festgelegte Größe, löst das den Bestellvorgang aus", sagte Buddenbrock. Dadurch erspare sich der Betrieb den Aufwand, Leute mit Scanner herumzuschicken, um die vorrätigen Teile zu bestimmen.

"Das ist ein Aufwand, der in keinem Verhältnis zum Wert der Ware steht", sagte Buddenbrock. C-Teile machten nicht mehr als ein bis zwei Prozent im Beschaffungsvolumen eines Unternehmens aus. Fehle aber eines dieser Teile, stehe die Produktion.

Expertenplattform

"Ich war bei hunderten Firmen in Österreich. Einige sind meinem Dafürhalten nach gut gerüstet für die Zukunft, andere sind willig, sich zu rüsten. Und dann gibt es solche, die schlicht nichts verändern wollen", sagte Buddenbrock. Diese würden es schwerhaben, im intensiver werdenden Wettbewerb zu bestehen.

Bewusstsein schaffen für die um sich greifenden Veränderungen will auch die 2014 ins Leben gerufene Expertenplattform "Chefsache Industrie 4.0". Das Thema sei zu wichtig, als dass es nicht auf der obersten Führungsebene, eben in der Chefetage, disku- tiert und vorangetrieben werden müsste. (Günther Strobl, 6.6.2016)