Brüssel – Die EU-Kommission hat die Kritik von Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem am Umgang mit dem Stabilitätspakt zurückgewiesen. "Der Präsident war sehr deutlich, dass die Kommission bei der Anwendung der Regeln keinerlei Unterschiede macht zwischen großen und kleinen Ländern", sagte der Sprecher der Brüsseler Behörde, Margaritis Schinas, am Freitag mit Verweis auf Äußerungen Jean-Claude Junckers vom Vorabend.

Die Anwendung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes basiere auf Regeln und Beweisen. Zudem werde der politische und rechtliche Ermessensspielraum berücksichtigt, der in den Vorschriften vorgesehen sei.

Objektiver Schiedsrichter

Dijsselbloem hatte in einem Interview der "Süddeutschen Zeitung" und sechs weiteren europäischen Blättern gesagt: "Wenn der Kommissionspräsident sagt, die Dinge gelten für Frankreich anders, dann beschädigt das wirklich die Glaubwürdigkeit der Kommission als Hüterin des Pakts." Es brauche in der EU einen objektiven Schiedsrichter, der den Stabilitätspakt wahre. Man müsse ein bisschen vorsichtig sein, wenn die Brüsseler Behörde ein Auge zudrücke, zitierte die Zeitung den Eurogruppen-Chef. "Das nächste Mal wird die Kommission auch ein Auge bei anderen zudrücken. Und am Ende drücken wir überall ein Auge zu und haben eine blinde Währungsunion."

Stein des Anstoßes war eine Äußerung Junckers am Dienstag in einer französischen TV-Sendung. Darin antwortete er auf die Frage, warum seine Behörde gegenüber Frankreich Nachsicht walten lasse: "Weil es Frankreich ist." Er kenne Frankreich gut, dessen Reflexe, die innenpolitischen Reaktionen: "Wir können den Stabilitätspakt nicht blind anwenden." Juncker forderte die Regierung in Paris zugleich auf, wie zugesagt die Neuverschuldung im kommenden Jahr unter die im Stabilitäts- und Wachstumspakt vorgeschriebene Marke von drei Prozent im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung zu senken.

Aufschub für Südländer

Frankreich hat die Vorgaben in den vergangenen Jahren mehrmals gebrochen. Der französische Staatschef Francois Hollande steht rund ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen wegen der lahmenden Wirtschaft unter Druck und will trotz Massenprotesten eine Arbeitsmarktreform durchbringen.

Die EU-Kommission hatte kürzlich zudem entschieden, erst im Juli die Haushaltslage in Spanien und Portugal zu bewerten und zunächst keine Strafen wegen der Verfehlung von Defizitzielen zu verhängen. In Spanien stehen am 26. Juni Neuwahlen an. Auch diese Entscheidung kritisierte Dijsselbloem indirekt: Die EU-Kommission müsse die Regeln halten und schützen, unabhängig von der Größe eines Mitgliedslandes oder der Tatsache, dass Wahlen anstünden.

Das Verhältnis zwischen Juncker und Dijsselbloem galt schon einmal als angespannt, nachdem der niederländische Finanzminister Anfang 2014 in einer heimischen TV-Sendung Juncker als starken Raucher und Trinker bezeichnet hatte. Während des Schuldenstreits mit Griechenland im vergangenen Jahr arbeiteten Juncker und Dijsselbloem dagegen nach außen hin geräuschlos miteinander zusammen. Vor dem Niederländer war Juncker jahrelang Vorsitzender der Eurogruppe. (APA, 3.6.2016)