Den Vorspann von "Game of Thrones" kann man im 360-Grad-Video mit Rundumblick erfassen.

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Vlad Gozman (links) und Stefan Rasch entwickeln mit der Agentur Screenagers das Tool Stereosense zum Einbetten von 360-Grad-Werbespots in VR-Applikationen.

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Mit Nike in der Umkleidekabine der türkischen Nationalmannschaft.

Foto: Nike

Wien – An sein erstes Mal erinnert sich angeblich jeder. Vlad Gozmans Erstkontakt mit Virtual Reality war alles andere als berauschend: "ein Rollercoaster-Erlebnis – nichts Besonderes." Erst das zweite Mal hat es für den Datenentwickler gebracht: "Ein Flugsimulator, der mir klargemacht hat, was alles möglich ist."

Was alles möglich ist in der neuen wunderbaren Welt der virtuellen Realität, loten Gozman und Stefan Rasch, Chef der Wiener Digitalagentur Screenagers, derzeit aus. Gemeinsam entwickeln sie das Tool Stereosense, das 360°-Werbung in VR-Apps einbauen soll. Das können ebenso 2-D- wie 360-Grad-Spots sein, was so ziemlich der Traum jedes Werbers und seiner Kunden sein dürfte. Denn damit ließe sich Werbung im virtuellen Raum so einbetten, dass Nutzer sie nicht übersehen können.

Neuer Zweig der Unterhaltungsbranche

Die Welt im Virtuellen ist 84 Jahre nach der ersten Polarisator-Brille des US-Physikers Herbert Land wieder groß in Mode. Anders als bisher zieht der Markt mit. Besonders Werbebranche, Unterhaltungsfernsehen, aber auch Journalismus wittern Neuland und produzieren an allen Ecken.

"Hier entsteht ein völlig neuer Zweig der Unterhaltungsbranche", sagt Rasch. Die großen digitalen Player sind längst auf den Zug aufgesprungen: Zuletzt kündigte Google ein Android-VR-Betriebssystem und ein mobiles VR-Headset an. Facebook investiert schon jetzt massiv. Laut einer Studie des Marktforschungsunternehmens Gartner werden 2017 sechs Millionen VR-Brillen über den Tisch gehen.

Rundumblick mit Mercedes und Nike

Werber wie Medien entdecken 360-Grad-Videos als hübsche Zugabe zum Hauptprodukt, Nike Football lädt etwa in die Umkleidekabine, Mercedes zu einer Fahrt in den Schnee. HBO erlaubt einen Rundumblick im Vorspann von "Game of Thrones". Der US-Sender und Discovery gaben soeben eine 300-Millionen-Dollar-Investition in das 3D-Grafik-Start-up Otoy bekannt. AOL sicherte sich die VR-Produktionsfirma Ryot, Sony plant ein VR-Theater, 20th Century Fox Innovation Lab betreibt ein eigenes VR-Filmstudio. Jüngstes Kind ist ein 360-Grad-Video zur Horrorserie "Outcast".

Österreich befindet sich – wie die internationalen Player – im Versuchsstadium. Die Österreich Werbung etwa wirbt mit 360-Grad-Videos für Urlaub in Österreich und meldet Klickzahlen jenseits von zwei Millionen. Sommernachtskonzert und Streif in VR bot der ORF an. Zum Thema selbst gibt es nach Anfrage allerdings "keine öffentliche Stellungnahme".

Schwächen beim Storytelling

Stefan Rasch ist optimistisch: "Im Moment experimentieren viele. Da werden sich ganz eigene Arten des Storytellings entwickeln." Genau da hapert es aber noch, sagt der Produzent Christian Beetz, der im Rahmen des Arte-Projekts "Tankstellen des Glücks" mit dem Künstler Friedrich Liechtenstein ein 360-Grad-Video drehte. Er sieht "ein großes Spielfeld, wenig Überzeugendes". Noch sei VR ein "großer Hype". Er sieht Parallelen zur Filmgeschichte: "Früher reichten kleine Clips, und man war begeistert. Wir müssen umdenken für ein neues Medium", sagt Beetz.

Zudem spricht die autistische Form der Mediennutzung gegen eine flächendeckende Verbreitung. Als eher unwahrscheinlich gilt, dass in naher Zukunft wild gestikulierende Menschen mit Ziegelbrillen vorm Gesicht in der Straßenbahn gegenübersitzen.

Beste Chancen werden VR im Gaming-Sektor eingeräumt – für Werber suboptimal. Denn Computerspiel ist Premiumcontent – und damit bezahlpflichtig. "Stimmt", sagt Gozman. "Aber auf der anderen Seite entwickelt sich ein Einsteigermarkt. Die Inhalte hier sind gratis und buchbar." (Doris Priesching, 3.6.2016)