Übung für den Ernstfall: Obwohl der G20-Gipfel erst im September stattfindet, trainieren Sondereinheiten der Polizei schon jetzt medienöffentlich ihr Vorgehen gegen Demonstranten.

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Ausländer, die in Ostchinas Hangzhou leben, dachten zuerst an einen Scherz. Vergangene Woche erhielten sie schriftliche Warnungen von den Behörden: Zwischen 15. August und 10. September könnten sie zu jeder Tages- und Nachtzeit kontrolliert werden, auch zu Hause. "Haben Sie dann immer Ihren Ausweis zur Hand." Der Internetgebrauch würde strikt überwacht. Niemand sollte Webseiten mit heiklen Inhalten lesen oder im Netz Infos über internationale Politiker suchen.

Das malerische Hangzhou, das Marco Polo einst ein Paradies auf Erden nannte, probt für den Ausnahmezustand. Die 9,1 Millionen Einwohner zählende Metropole will kein Risiko eingehen, wenn China zum ersten Mal Gastgeber des internationalen Gipfels der G20-Staaten wird. Die Staats- und Regierungschefs der 20 wichtigsten Volkswirtschaften der Welt kommen zwar erst am 4. und 5. September nach Hangzhou. Doch schon vergangenes Wochenende feierten die Parteibehörden den 100-Tage-Countdown und mobilisierten die gesamte Bevölkerung.

Kosten vorerst unklar

Die Zeichen "G20" stehen nun tausendfach an Bushaltestellen, Häuserwänden, leuchten von den angestrahlten Fassaden der Hochhäuser über den Fluss. Staatliche Stellen finanzierten 651 Infrastruktur- und Investitionsprojekte, um die Stadt für den Gipfel zu verschönern und rundum zu erneuern. Das gigantische Kongresszentrum mit 61 Konferenzhallen umfasst 840.000 Quadratmeter, meldete die "Global Times". Im etwas entfernten Medienhaus finden 1.500 Journalisten Platz.

Zum Gipfel soll Hangzhou smog-, lärm- und staufrei sein. Vom 26. August bis zum 6. September müssen dafür die Fabriken und Baustellen schließen. Die Maßnahmen betreffen auch elf Nachbarstädte in bis zu 300 Kilometer Entfernung. Zur Unterstützung extremer Sicherheits- und Antiterrormaßnahmen hat Hangzhou auch 740.000 Stadtbürger zum Aufpassen mobilisiert, vor allem Rentner, Blockwarte und Frauen aus den Nachbarschaftskomitees. Als der STANDARD den Stadtparteichef Zhao Yide nach den Kosten der Projekte fragte, antwortete er ausweichend: Sie seien Teil der Langzeitplanung der Stadt.

Schon für die Asien-Pazifik-Konferenz (Apec) in Peking scheute Chinas Führung keine Kosten. Für das Treffen im November 2014 wurde der Vorortbezirk Huairou völlig umgebaut sowie an neue Straßen und Autobahnen angeschlossen. Kahle Berge wurden aufgeforstet, Luxushotels und Präsidentenvillen errichtet. Zur Verkehrsberuhigung und gegen Smog wurden Fahrverbote für die Hälfte der Autos in Peking und im Umland ausgesprochen, tausende Fabriken und Bauunternehmen geschlossen. Am Ende konferierten die Apec-Staatschefs nur wenige Stunden in Huairou. Das Missmanagement verkaufte Pekings Propaganda als Riesenerfolg für "Apec-Blau", weil sich kurze Zeit die Smogwerte reduzierten. Der Öffentlichkeit wurden die Kosten nie genannt.

Internationaler Player

Die Präsidentschaft der Apec und über die G20 wertet Pekings Führung als Beleg für die weltpolitische Bedeutung des Landes. China sieht sich als zweitstärkste Volkswirtschaft und zugleich auch als größtes Entwicklungsland der Welt. Es plant, zum G20-Treffen Präsidenten aus anderen Entwicklungsländern als Beobachter und Verbündete einzuladen, sagte Außenminister Wang Yi: "In der Geschichte der G20-Konferenzen wird der kommende Gipfel der repräsentativste für die Entwicklungsländer werden."

Peking will die Konferenz auch für Strukturreformen nutzen. Der Gipfel soll die Weichen für Langzeitpläne bis 2030 stellen. Sie passen zu Chinas Exportoffensiven wie den Seidenstraßen mit ihren Wirtschaftskorridoren und dem Transfer von Überkapazitäten. Wang sagte: "Es ist das erste Mal, dass sich ein G20-Gipfel auf die Frage konzentriert, wie sich mittelfristige und langfristige Antriebskräfte für das globale Wachstum und für den Welthandel entwickeln lassen."

Die Agentur Xinhua kommentierte: "Peking will über die G20 zu einem großen internationalen Player aufsteigen, der die Regeln für den globalen Handel und für Investitionen künftig mitbestimmt." (31.5.2016)