Es gibt ja so etwas wie den Unterhaltungsauftrag. Und sich hin und wieder selbst zum Affen zu machen, hat noch keinem wirklich geschadet: Es lehrt Demut, relativiert den subjektiven Blick auf die eigene Großartigkeit und Überlegenheit – und verrät auch sehr viel über die, die da lachen, lächeln oder grinsen: Auf die Art kommt es nämlich an. Zwischen dem hämischen "Oida, was für ein Vollpfosten"-Gehabe und amüsiert-interessiertem Schmunzeln liegen – egal, ob da eine Wuchtel geschoben wird oder nicht – nämlich Welten. Zu Lande ebenso wie zu Wasser. Und erst recht unter Wasser.

Foto: Thomas Rottenberg

Die Sache ist nämlich die (und hier schon einige Male angeschnitten): Derzeit habe ich Laufpause. Aus 1001 lange, großteils selbst angezüchteten und wider besseres Wissen nie nachhaltig bereinigten oder endgültig ausgeheilten Gründen. Darüber zu lamentieren ist sinnlos – weil es nichts an den Fakten ändert. Gleichzeitig ist so eine Pause lehrreich. Auf vielen Ebenen. Auf sportlicher, weil da plötzlich mehr Platz und Zeit ist. Für Dinge, die ich gerne mache (Radfahren, Klettern, Schwimmen etwa) – und Dinge, die ich vernachlässigt habe, obwohl ich doch weiß, dass … Ja, hier schließt sich dann ein Kreis: Spezifisches Krafttraining, Dehnen, Gymnastik oder Faszienrollen-Quälerei sind genau das, was ich – im Wissen, dass es wichtig wäre – ewig beiseitegeschoben habe.

Jahrelang Versäumtes kann ich nicht nachholen, aber die Fokusverschiebung ist sinnvoll. Sie öffnet Horizonte. Etwa seit ich hin und wieder ein paar Hot-Yoga-Einheiten einstreue. Dazu ein andermal mehr. Heute bleibe ich nämlich im Wasser – und dennoch beim Laufen.

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Schließlich hat mich meine Physiotherapeutin und Klettertrainerin Andrea Maruna zum Aquajogging verdonnert. Und bekam, als sie meine Miene sah, einen durch und durch unprofessionellen, aber sehr ansteckenden Lachkrampf: Maruna weiß, dass ich hin und wieder schwimme. Sie weiß auch, dass man beim Schwimmen oft Dinge sieht, die man nicht sehen will. Weil im Wasser vieles, was man an Land kaschieren kann, gut, deutlich und deutlicher sichtbar wird: Eigentlich wollte ich es ja nie laut schreiben. Aber den Begriff "Wellpappe-TV", den ein in Österreich einst weltberühmter Schwimmer mir im Stadionbad für das Schwimmen neben Wassergymnasten und Aquaaerobicerinnen beibrachte, werde ich nie wieder aus dem Kopf bekommen: Gemein – aber leider wahr.

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Aquaaerobic also. Wassertreten. Hopsen im Seichten. Mit einem kleinen Schuss Phantasie fallen mir da noch viele Beschreibungen ein – und keine ist positiv. Keine verbinde ich mit Spaß, Lust an Bewegung oder Erweiterung des Erlebnishorizontes. Aquaaerobic machen "die anderen": Das ist etwas für Alte, Dicke, Unbewegliche, Unsportliche. Für Couchpotatoes auf Kur. Für … und so weiter. Sparen Sie sich an dieser Stelle die Mühe, böse Postings zu formulieren: Ich weiß selbst, dass das super überheblich, arrogant und unfair ist. Ich habe dazu auch eine kleine Geschichte: Im Fitnesscenter meiner Wahl kam eine Zeit lang ein gut 160 Kilo schwerer Mann zur Wassergymnastik. Er schaffte es kaum die Treppen hoch – aber er kam. Regelmäßig. Irgendwann lästerte in der Umkleidekabine dann einer der Möchtegern-Super-Mucki-Athleten – und wurde innerhalb von Sekunden zum Schweigen gebracht: "Wer glaubst Du, dass Du bist? Dieser Typ ist ein Vorbild. Für mich jedenfalls. Weil: Die Power, sich zu bewegen – damit überhaupt anzufangen, wenn man jahrzehntelang nix gemacht hat und aus welchen Gründen auch immer so beieinand ist wie er –, diese Power ist bewundernswert. Das würde ich nicht schaffen. Und du wohl auch nicht." Der Mann, der da so hochfuhr, war nicht irgendwer – sondern Markus Rogan. Und er hatte zu 100 Prozent recht.

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Trotzdem: Wissen und akzeptieren, dass Wassergymnastik gut, gesund und sinnvoll ist, dass Widerstand und Auftrieb des Wassers Bewegungen und Training im Wasser gleichzeitig supereffizient und schonend machen, ist das eine. Sich selbst einzugestehen, dass man genau dieses Training jetzt braucht, weil der Körper was anderes grad nicht derbläst, aber eine ganz andere Kiste.

Und dann im Wasser nicht bloß Gymnastik in der Gruppe machen, sondern auch noch laufen? Solo – und zwischen denen, die hier schwimmen? Das ist in der Selbsterniedrigungsskala Level 2. Oder 3. Für mich jedenfalls. Das wusste Andrea Maruna, als sie mich ins Wasser schickte. Und als sie fertig gelacht hatte, sagte sie: "Trotzdem: Aquajogging. Bau es ins Schwimmtraining ein. Ich will, dass Du bei jeder Einheit im Pool mindestens zehn Längen läufst."

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Also laufe ich jetzt eben. 25 Meter rauf, 25 Meter runter. Mit Todesverachtung. Und ungeachtet der Blicke und Lacher von der Seite. Wobei: So schlimm sind die gar nicht. Weil: Siehe ganz oben. Und weil die Leute teils neugierig sind – teils ohnehin wissen, worum es geht: In den letzten Wochen habe ich eine Menge Erzählungen über Sportverletzungen, Unfälle, Ehrgeiz, Verzweiflung und Rehab-Methoden gehört. Und daraus ein paar Botschaften mitgenommen: Erstens, dass ich nicht der Einzige bin. Zweitens, dass es wieder besser wird. Drittens, weil es hilft. Und viertens – und am wichtigsten –, dass alles, worüber wir winseln und wehklagen, Jammern auf allerhöchstem Niveau ist: Sogar der Begriff "First World Problems" ist dafür zu hoch gegriffen.

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Ganz abgesehen davon: Aquajogging kann was. Tatsache. Nicht, dass es mir Spaß machen würde. Au contraire! Aber beim Laufen im Wasser spüre ich sehr genau, wie und was meine Beine, Füße und Hüften tun – und wo ich versuche, durch Mogeln an meinen Fehlern vorbeizukommen: Wasser ist 800-mal dichter als Luft. Wer sich da aufrecht "durchschiebt", hat also recht deutliche Widerstände zu überwinden. Und wenn links sich da anders anfühlt als rechts – dann hat das Gründe.

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Beim Laufen im Wasser – speziell auf einem spiegelglatten Edelstahlboden – müssen die Bewegungen passen. Sonst rutscht man nämlich weg. Das macht zwar nix – ist aber dennoch ein Signal. Und je müder man wird, umso unaufmerksamer bewegt man sich. Oder langsamer: Beim Laufen im Wasser kann man sich so sehr leicht und recht genau selbst kontrollieren. Und spürt, wenn man sich nicht selbst bescheißt, auch recht rasch, dass Andrea Maruna absolut recht hatte, als sie sagte: "Du wirst sehr schnell spüren, wie sich das auf Bewegungsabläufe, Dynamik und Kraft auswirkt – aber vor allem auf die Stabilität."

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Technisch ist Wasserlaufen grundsätzlich nicht anders als reguläres Laufen: Je höher die Schrittfrequenz, umso besser – auch weil man den Widerstand ja immer wieder neu überwinden muss. Wo die Beckentiefe das Streckenlaufen nicht ermöglicht, sind schnelle Einheiten im Stand auch okay – oder aber man schnappt sich eine Schwimmwurst oder sonst einen Auftriebskörper und rennt ohne Bodenkontakt. Das schaut dann RICHTIG doof aus. Egal: Darum geht es ja nicht.

Was beim Laufen im Wasser auch rasch auffällt: Die Arme schwingen, da in der Regel dünner als die Beine und daher mit weit weniger Widerstand konfrontiert, gerne rasch viel zu schnell. Dann kommt man aus dem Rhythmus. Ich habe bei mir selbst bemerkt, dass ich mich quasi zwingen muss, sie im Wasser mitzunehmen – und sie, sobald ich nicht daran denke, fast automatisch an und über die Wasseroberfläche wandern.

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Maruna hat sich den Wasser-Lauf-Auftrag an mich nicht aus den Fingern gesogen: Aquajogging ist nicht nur in der Rehab, sondern auch im Leistungs- und Wettkampfsport längst angekommen. Nicht als Bewerb (bitte nicht!), sondern als Trainingsergänzung. Von Ausdauer zu Schnellkraft, von Tempohärte bis zu Intervallen: Alles, was man an Land laufend üben kann, lässt sich im Wasser auch umsetzen. Schonend – und schonungslos. Tipp der Profis: Mit Pulsuhr wird es noch genauer – und man kann sehr schön an Grenzen und Schwellen trainieren. Allerdings gilt es da zu bedenken, dass der Puls bei ähnlicher Belastung wie an Land etwa zehn Schläge niedriger ist. Weil der Wasserdruck und der Auftrieb zu anderen muskulären Belastungen führen.

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Genau das macht Wasserlaufen für noch eine Zielgruppe interessant: für Menschen, die abnehmen wollen. Denn beim Laufen im Wasser verbrennt man signifikant mehr Kalorien als beim Laufen an Land. Voraussetzung: gleiche Intensität und gleiche Dauer. Eine No-na-Sache – aber ich habe noch niemanden getroffen, der (die) auch nur halb so lange im Wasser gerannt wäre, wie er (oder sie) es an Land täte.

Wissenschaftlich ist Wasserlaufen natürlich auch längst durch und durch erfasst und erforscht. Demnach steigert Aquajogging die aerobe Ausdauer genauso wie Laufen auf dem Laufband, beim Cooldown nach einer intensiven Einheit fühlen sich Wasserläufer allerdings meist rascher und besser erholt als beim Auslaufen auf dem Band.

Foto: Thomas Rottenberg

Eines gilt freilich dennoch: Aquajogging ist langweilig. Richtig stinklangweilig. Es macht keinen Spaß. Null. Nada. Darum weiß ich: Den von diversen Gurus an dieser Stelle abgegebenen Tipp, Wasserjoggen als eigenständigen Teil ins Lauftraining einzubauen, spare ich mir. Und rate stattdessen dazu, es so zu machen, wie Andrea Maruna es mir auftrug: Laufen im Wasser ins Schwimmtraining einzubauen, ist realistischer.

Auch weil Maruna weiß, dass ich im Wasser ohnehin mehr spiele als "seriös" trainiere. Etwa mit meinem neuesten Spielzeug, dem "Ameo Powerbreather" – einem vielfach preisgekrönten Schwimmschnorchel aus Deutschland.

Der hat mit Laufen – weder im Wasser noch an Land – zwar eigentlich nix zu tun, hat aber einen anderen Vorteil, der Läufern und anderen Ausdauersportlern aber sehr wohl zugute kommt …

Foto: Thomas Rottenberg

Da das Ding Membrane hat, die dafür sorgen, dass man beim Einatmen nur Luft aus dem Schnorchel bekommt, beim Ausatmen aber direkt aus dem Mundstück ins Wasser blubbert, muss man sehr bewusst und auch deutlich stärker atmen als im "Normalbetrieb". Das stärkt und fördert die Atemmuskulatur – und ist unter dem Stichwort "Maskentraining" derzeit, wenn auch nur an Land, gerade am Sprung vom Geheimtipp zum Hype. Und dementsprechend umstritten. (Dazu kommt hier alsbald mehr.)

Der "Powerbreather" spielt aber nur ganz am Rande in dieses Thema hinein: Er kann – richtig eingesetzt – helfen, das Schwimmtraining effizienter zu gestalten. Oder abwechslungsreicher. Und genau darum geht es mir: Ohne Ablenkung – etwa weil ich eine Geschichte über den Schnorchel bastle – hätte ich nämlich nie und nimmer die Disziplin, im Wasser etwas zu tun, was dort an sich grotesk und widersinnig ist: zu laufen. (Thomas Rottenberg, 1.6.2016)

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