Gelassen gaben sich Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) und sein Vize Reinhold Mitterlehner (ÖVP) am Dienstag. Sie wollen noch vor dem Sommer Reformen angehen.

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Wien – Mit Rückenwind ausgestattet kam Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) am Dienstag in den Ministerrat. Laut einer Wifo-Studie steigt das Wirtschaftswachstum stärker als erwartet. Aber – ganz der neue Stil, nichts schönreden zu wollen: "Zwei gute Nachrichten reichen noch nicht aus", sagt Kern und verweist auf Verbesserungsbedarf bei Reformen. Dazu haben sich die Minister auf Arbeitsbereiche geeinigt, in denen Änderungen teilweise noch vor dem Sommer umgesetzt werden sollen.

  • Wirtschaft und Arbeitsmarkt
    Die Regierung will ein Gründer- und Start-up-Paket initiieren. Hier soll es auch um Prekariat und unfreiwillig Selbstständige gehen.

  • Sicherheit
    Hier soll ein Integrationspaket auf den Weg gebracht werden. Vorbild ist für Kern Deutschland, wo man schon viel weiter sei. Außerdem sollen die Ressourcen im Innenministerium besser verteilt und somit mehr Kapazität geschaffen werden.

  • Entbürokratisierung und Deregulierung
    Hier wollen die Regierungsparteien Tempo machen. Zur Effizienzsteigerung der Sozialversicherungen soll eine Studie erarbeitet werden und die Organisation der Gebietskrankenkassen durchleuchten. Die Gewerbeordnung soll vereinfacht werden, etwa der Zugang zu Unternehmensanmeldung, Formalitäten und Veröffentlichungspflichten, aber auch Mitgliedsbeiträge für die Wirtschaftskammer.

  • Bildung
    Mehr Jugendlichen soll eine Perspektive geboten werden. "8.000 Jugendliche verschwinden spurlos" aus Bildungsstätten und dem Arbeitsmarkt, sagt Kern. Das ist für den Bundeskanzler "das dickste Brett zum Bohren".

Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) gaben sich betont gelassen. Für Mitterlehner sind der IMD-Bericht über den Wirtschaftsstandort (siehe Österreich als Wirtschaftsstandort nur Mittelmaß) und die Wifo-Prognose zum Wirtschaftswachstum Motivation für weitere Reformen. Daraus entstehe keine "tatenlose Selbstzufriedenheit", aber Maßnahmen aus der Vergangenheit zeigten dadurch Wirkung – Stichwort Steuerreform.

Kern kann sich eine Reduzierung der Sozialversicherungsträger vorstellen. Als ÖBB-Chef habe er die Führungsposten um die Hälfte reduziert. Im Bereich der Krankenkassen sei das aber nicht nur ein "Federstrich" zum Bürokratieabbau, denn das Leistungsrecht müsse berücksichtigt werden. Für die Menschen, die jahrelang Beiträge gezahlt hätten, gelte ein Leistungsversprechen, das die Sachlage kompliziere.

Kern möchte den Rechnungshof stärker einbeziehen und die vorgeschlagenen Maßnahmen besser integrieren. Die Institution ist nicht nur das Kontrollorgan für die Regierung, er will den Rechnungshof künftig auch als "Inhouse-Beratung" verstanden wissen.

Hauptverbandschefin will Studie zügig umsetzen

Die Vorstandsvorsitzende im Hauptverband der Sozialversicherungsträger, Ulrike Rabmer-Koller, will die von Kern angekündigte Effizienzstudie über die Sozialversicherungen rasch in Auftrag geben. Gegenüber der APA kündigte Rabmer-Koller an, dass sie sich "sehr zügig" mit den Verantwortlichen in der Regierung abstimmen werde.

Bis Ende des Jahres könnten dann Ergebnisse vorliegen und erste Maßnahmen definiert werden. Ihr gehe es darum, dass die Studie "zügig, objektiv und ergebnisoffen" durchgeführt werde. Wer die Studie durchführen soll, sei noch offen. Sie solle dann aber jedenfalls Basis für die weiteren Entscheidungen sein. Die Hauptverbands-Chefin betonte, dass es ihr wichtig sei, die Maßnahmen in einem breiten politischen Konsens zu treffen.

"Zusammenlegung heißt noch nicht sparen"

Auf eine Zusammenlegung von Sozialversicherungsträgern, wie sie Kern angesprochen hat, wollte sich Rabmer-Koller noch nicht festlegen. "Eine reine Zusammenlegung heißt noch nicht Sparen", meinte die Sozialversicherungschefin. Sie sei jedoch "sehr offen für die Hebung von Effizienzpotenzialen". Wo diese zu finden seien, werde die Studie ergeben. Eine Präferenz, in welche Richtung es gehen könnte, wollte sie noch nicht sagen. Es gebe viele unterschiedliche Modelle, sie sei es gewohnt, zuerst die Zahlen, Daten und Fakten zu analysieren und erst dann eine Entscheidung zu treffen, sagte Rabmer-Koller.

Grundsätzlich zeigte sich die Hauptverbands-Chefin erfreut, dass nun offenbar Schwung in die Gesundheitspolitik komme. Rabmer-Koller erinnerte daran, dass sie eine Effizienzstudie, die auch im Regierungsprogramm stehe, schon bei ihrem Amtsantritt angekündigt habe. Sie habe darüber auch schon mit dem Finanz-, dem Sozial- und dem Wirtschaftsminister gesprochen. (mte, APA, 31.5.2016)