Albaniens Justizminister Ylli Manjani will korrupten Richtern und Staatsanwälten den Schutz entziehen.

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STANDARD: Albanien muss eine Justizreform durchführen, damit die Kommission EU-Erweiterungsverhandlungen empfiehlt. Sie brauchen eine Zweidrittelmehrheit, um Verfassungsänderungen durchzuführen. Schaffen Sie das?

Manjani: Ich bin zuversichtlich. Ziel ist es, vor dem Sommer darüber abzustimmen. Die Opposition spürt nicht nur den Druck der EU, sondern auch der Gesellschaft. Denn die Albaner wollen eine Justizreform. Wir hoffen, dass wir die EU-Kommission überzeugen können, dass sie Verhandlungen empfiehlt, aber ich glaube nicht, dass das von den EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert wird. Es gibt viel Skepsis. Kritische Bemerkungen kommen immer aus Großbritannien, den Niederlanden und Deutschland. Das einzige Land, das uns immer unterstützt, ist Österreich.

STANDARD: Worum geht es inhaltlich bei der Reform?

Manjani: Es geht darum, den Korpsgeist unter den Richtern zu brechen, die sich gegenseitig schützen. Der Hohe Justizrat soll weniger von Richtern dominiert sein, dort sollen sechs Richter und fünf Nichtrichter statt zehn versus fünf sitzen. Aber nicht nur die Richter schützen einander; das Gleiche gilt für die Staatsanwälte. Man sollte die missbrauchsanfällige Macht des Generalstaatsanwalts verringern. Das Parlament soll "Augen und Ohren" bekommen, um in diesen Institutionen nachzusehen.

STANDARD: Gibt es Modelle in anderen jungen Demokratien, die als Vorbild dienen?

Manjani: Ich wäre froh, wenn ich das bestätigen könnte. Unglücklicherweise sind wir aber verschiedenen Modellen gefolgt. Das ist das Schlimmste. Man hat ein bisschen etwas aus Rumänien, aus Kroatien, aus Deutschland, aus Österreich, aus Italien genommen. Experten und ausländische Botschafter sagen, es handle sich um ein albanisches Modell, und wir sollten stolz sein. Ich weiß nicht, ob wir das sollten. Warten wir ab.

STANDARD: Was kann man dagegen tun, dass Richter und Staatsanwälte Schmiergelder nehmen und das Recht untergraben?

Manjani: Der Rat für die Vermögensdeklaration hat bereits jetzt Beweise, dass Richter ihr Vermögen nicht rechtfertigen können. In den meisten Fällen hat die Staatsanwaltschaft oder das Gericht die Anklagen aber fallengelassen. Ich habe versucht, eine andere Kultur zu schaffen, sodass jemand, der diese Vermögensdeklaration nicht richtig macht, überhaupt kein Richter sein darf. Ich bin daran aber zugegebenermaßen gescheitert.

STANDARD: Wer soll dafür sorgen, dass korrupte Richter entlassen werden?

Manjani: Eine Kommission, die von internationalen Experten beraten wird. Die Venedig-Kommission hat jedoch gemeint, dass Richter, die entlassen werden, in Berufung gehen können müssen. Da fängt das Problem wieder an, ...

STANDARD: ... weil sie wieder von anderen Richtern geschützt werden. Wie viele Richter sind korrupt?

Manjani: Ich kann leicht 35 Richter von 300 identifizieren. Wir müssen jedenfalls unser Haus säubern und ein wenig Hoffnung für die Zukunft schaffen.

STANDARD: Die USA wollen eine Art FBI in Albanien schaffen. Wozu?

Manjani: Strafrechtliche Untersuchungen werden zurzeit im Pingpong zwischen Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht hin- und hergespielt. Und die Untersuchungen sind bezüglich Qualität, Verantwortlichkeit und Unabhängigkeit problematisch. Die Behörde soll bei der Staatsanwaltschaft liegen – und das macht Sinn, denn die Polizei kann nicht Vergehen der Justiz untersuchen. Wir sollten ja deren Chefs sein.

STANDARD: Wie soll die Reform umgesetzt werden?

Manjani: Das wird Zeit brauchen, dieses Jahr wird nichts in Kraft treten. Ich glaube nicht, dass wir auf die Justizreform warten sollten. Wir müssen eine Taskforce zwischen den Regierungen schaffen. Wenn ein österreichischer Geschäftsmann hier das Gefühl hat, dass etwas falsch läuft, dann ist es meine Pflicht, jemanden anzurufen, um ihn zu schützen. (Adelheid Wölfl, 31.5.2016)