Der in Deutschland Anfang des Jahres 2015 eingeführte Mindestlohn hat nicht zu den von einigen befürchteten massiven Jobverlusten geführt. Nun zeigen sich allerdings Auswirkungen bei Praktika. Das Müncher Forschungsinstitut ifo spricht vom "Aus für die Generation Praktikum".

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Viel wurde vorab über die Auswirkungen des Mindestlohns in Deutschland diskutiert, nicht wenige befürchteten einen großen Verlust an Arbeitsplätzen. Eingeführt wurden die bundesweiten 8,50 Euro im Jänner 2015 trotzdem – die Befürchtungen bewahrheiteten sich nicht. Forscher tun sich allerdings schwer damit, die Auswirkungen des Mindestlohns genau zu beziffern – denn es ist unklar, ob sich der deutsche Arbeitsmarkt ohne die Reform noch besser entwickelt hätte.

Aus für die Generation Praktikum?

Eine neue Untersuchung des Münchner Ifo-Institus und des Personaldienstleister Randstad dreht sich um die Auswirkungen auf Praktika. Fazit: Seit Jänner 2015 ist die Zahl der Unternehmen, die Praktika anbieten, stark zurückgegangen. Das Ausmaß der Veränderung sei dabei so groß, dass es nur strukturelle Gründe dafür geben könne, sagen die Studienautoren zu Spiegel Online.

In Zahlen sieht das so aus: Von den 1000 befragten Personalverantwortlichen haben 77 Prozent in den letzten Jahren Praktikumsplätze angeboten. Von diesen Unternehmen haben 47 Prozent seit 2015 keine solchen Angebote mehr. Bei Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten sank der Anteil von 88 auf 52 Prozent, noch größer war der Rückgang in Betrieben mit weniger als 50 Beschäftigten: Hier gingen die Praktikumsplätze von 59 auf 26 Prozent zurück.

Wenn, dann kürzere Dauer

Verändert hat sich auch die Dauer: Bei jenen Unternehmen, die noch Plätze anbieten, hat jeder vierte Arbeitgeber die Dauer verkürzt. Ein möglicher Grund: Für Praktika, die kürzer als drei Monate sind, gilt der Mindestlohn nicht, wie auch für Pflichtpraktika, die im Rahmen eines Studiums oder einer Ausbildung vorgeschrieben sind.

Dass die Veränderungen mit dem eingeführten Mindestlohn zusammenhängen, weisen die meisten Befragten aber von sich: Nur 22 Prozent gaben an, dass es einen direkten Einfluss gebe. Sie kritisieren neben den gestiegenen Kosten auch die Dokumentationspflichten, denn Unternehmen, die Praktikanten weniger als den Mindestlohn bezahlen, müssen nachweisen, dass die betroffene Stelle den Ausnahmeregelungen entspricht.

Zwei Seiten der Medaille

Angemerkt wurde in den letzten Tagen nach Veröffentlichung der Studie auch, dass möglicherweise viele Stellen weggefallen sind, die zuvor getarnte Billigarbeitsplätze waren und der Mindestlohn damit für eine Profilierung der Praktika sorgt. Dennoch sei die Entwicklung gefährlich, sagt der Geschäftsführer des Karrierenetzwerkes Absolvente, Christoph Jost, der Welt: "Das Gehalt spielt für Praktikanten eine untergeordnete Rolle." Es gehe vor allem darum, frühzeitig mit Aufgaben und Verantwortung konfrontiert zu werden, aber auch Kontakte zu knüpfen – nicht selten folgt auf ein Praktikum eine Fixanstellung.

In Österreich geht der Österreichische Gewerkschaftsbund von 280.000 Praktikanten pro Jahr aus. Die Bezahlung ist sehr unterschiedlich – 575 Euro verdienen sie einer unijobs.at-Umfrage zufolge im Schnitt pro Monat, 25 Prozent arbeiten gratis. (lhag, 31.5.2016)