Als Politiker ist Christian Kern noch unverbraucht. Das ist eine Chance. Er kann seiner Partei Maßnahmen abverlangen, die sein Vorgänger Werner Faymann nicht mehr durchgebracht hätte. Die Sozialdemokraten werden ihn trotzdem beim Parteitag Ende Juni wählen. Es nicht zu tun wäre politischer Selbstmord.

Den Windschatten Kerns möchte offenbar auch ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner nutzen. Er versucht, sich vom mächtigen Wirtschaftsflügel der Partei zu emanzipieren. Unterstützung für den Wirtschaftsminister kam von dort ohnehin wenig, wie das Beispiel der Registrierkassenpflicht gezeigt hat. Statt über die Steuerreform wurde dank der Kammerkampagne nur mehr über die Unzumutbarkeit, Einnahmen auch aufzuzeichnen, diskutiert.

Aber kann die neue Regierungsspitze wirklich Reformen ohne den Segen der Sozialpartner durchbringen? Durchaus. Sogar Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter räumen ein, dass sie froh wären, wenn ihnen die Regierung Entscheidungen abnehmen würde. Nach dem Motto: Für uns als Interessenvertretung wäre ein Kompromiss schwierig. Sollte es ihn aber in der Koalition geben, würden wir keinen Aufstand machen.

Klar ist aber auch: Die Sozialpartner sitzen auch in den Parlamentsfraktionen. Es braucht also Hausmacht und Autorität, um sie dort an Bord zu holen. Ob Kern und Mitterlehner darüber verfügen, wird sich erst zeigen. (Günther Oswald, 29.5.2016)