Brüssel/Wien – Die österreichischen Industrieunternehmen, die am EU-weiten Emissionshandelssystem für Treibhausgase mitmachen, müssen immer mehr zukaufen oder ihre Zertifikatsbestände aus der Vergangenheit auflösen. Dies geht aus einer kürzlich vom Umweltbundesamt veröffentlichten Liste zum Emissionshandel 2015 hervor. Fast alle Firmen haben höhere Emissionen, als ihnen für 2015 an Emissionserlaubnissen zugeteilt wurden. Jedes dieser Zertifikate erlaubt den Ausstoß von einer Tonne Kohlendioxid (CO2). Dieses Treibhausgas fällt beim Verbrennen von Erdgas oder Erdöl an.

Zurückzuführen ist die zunehmende Kluft zwischen zugeteilten Zertifikaten und tatsächlichen Emissionen darauf, dass seit 2013 strengere Emissionshandelsrichtlinien gelten. Für fossile Stromproduktion bekommen Energiebereitsteller seither überhaupt keine kostenlosen Zertifikate mehr. Bei den anderen Industrien werden Jahr für Jahr die Gratisetats zurückgefahren.

Weiterhin viel kostenlos

Industrien allerdings, die einem starken internationalen Wettbewerb ausgesetzt sind, erhalten weiterhin viele kostenlose Emissionserlaubnisse. Dies ist etwa bei der europäischen Stahlindustrie der Fall, die durch Chinas Billigproduktion in Mitleidenschaft gezogen ist.

Größter industrieller Einzelemittent in Österreich ist die Voestalpine Stahl in Linz, die statt 6,6 Millionen Tonnen CO2 schlussendlich im Vorjahr 8,7 Millionen Tonnen meldete. Dazu kommt noch das Stahlwerk Donawitz, das ebenfalls über Plan lag, und zwar mit fast drei Millionen Tonnen CO2. Die Voest hat schon mehrfach darauf hingewiesen, dass das Emissionshandelssystem für ein expansives Unternehmen eine Hürde darstellt. Seit 2008 habe man jährlich zwischen fünf und 20 Millionen Euro für CO2-Emissionszertifikate gezahlt. "Dynamische Betriebe, die Marktanteile dazugewinnen, werden von dem System benachteiligt", sagt Stephan Schwarzer von der Wirtschaftskammer.

Historische Berechnungsbasis

Zurückzuführen ist dies darauf, dass die Gratiszuteilungen von historischen Werten berechnet werden, und zwar von den Emissionsdaten von 2007/08. EU-Stahlwerke, die weniger produzieren als damals, bekommen noch immer üppig Zertifikate. Diese können sie horten und damit ihre Bilanzen verschönern oder am Markt verkaufen. Der Preis für eine Tonne CO2 liegt derzeit bei sieben Euro, was eine leichte Erhöhung ist, denn er war schon bei drei, vier Euro. Bei Einführung des EU-Handelssystems hatte man sich 20 Euro erwartet.

Auch andere Handelsteilnehmer haben im Vorjahr mehr CO2 in die Atmosphäre entlassen. So etwa die Raffinerie Schwechat, deren Emissionen von 1,7 auf 2,8 Millionen Tonnen stiegen. Insgesamt wuchs der CO2-Ausstoß der gut 200 Betriebe, die zum Emissionshandelssystem gehören, auf 29,5 Millionen Tonnen.

Erfolgreichere Marktteilnehmer sollten auch unterstützt werden, sagt Dieter Drexel von der Industriellenvereinigung, und nicht umgekehrt. Österreich-Position sei, dass nur die Besten, die im internationalen Wettbewerb stehen, Gratiszuteilungen bekommen. (Johanna Ruzicka, 29.5.2016)