Aufgrund des frühen Führungstors von Real durch Sergio Ramos (15.) war Atlético zu aktiver Spielgestaltung gezwungen. Da dieser Stil den Rotweißen aber nicht auf den Leib geschneidert ist, brauchte es gebührend Anlaufzeit und eine taktische Umstellung in der Pause, um in Fahrt zu geraten.
Der eingewechselte Yannick Carrasco (79.) erwies sich mit seiner quirlig-vertikalen Lästigkeit als würziges Ergänzungsmittel im Atlético-Spiel und rettete seine Truppe mit dem Ausgleichstreffer in die Verlängerung. Real wiederum schlüpfte taktisch in die angestammte Rolle des Stadtrivalen und verlegte sich auf Konterfußball, wofür im pfeilschnellen Sturmtrio aus Gareth Bale, Karim Benzema und Cristiano Ronaldo ausreichend Potenzial vorhanden gewesen wäre. Richtig zünden wollten die Turbos der "BBC" genannten großen Drei allerdings nur ansatzweise.
Hüben wie drüben vollzog sich an diesem Abend ein Theater der Vergeblichkeiten, das nicht nur der taktischen Inversion, sondern auch dem allgemeinen Schwinden der Kräfte beim Laufen geschuldet war.
Der Wille zur Grazie des Weißen Balletts verhedderte sich in Müdigkeit und Schwerenot, während sich Atlético mit zunehmend verzweifelndem Mut auf die Suche nach jener Lücke machte, die der sprichwörtliche Teufel selbst in königlichen Viererketten manchmal lässt.
Das dynamische Atlético-Dreieck mit Gabi, Koke und Antoine Griezmann bemühte sich nach Kräften um taktgebende Wirkung sowie spielerische Kompensation des im breiten Schatten seiner Leibwächter verkümmernden Stürmers Fernando Torres.
Auf der anderen Seite brockte sich Real das Nachsitzen im Elfmeterschießen, das Ronaldo beenden sollte, durch Fahrlässigkeit im Abschluss selbst ein. Am Ende waren sie schließlich alle — ob überglücklich oder todtraurig – einfach nur froh, dass es zu Ende war. (Helmut Neundlinger, 29.5.2016)