Angela Merkel und Francois Hollande am Sonntag in Verdun.

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Die Staatsoberhäupter im Beinhaus von Douaumont

Foto: REUTERS/Mathieu Cugnot

Verdun/Berlin –Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatschef Francois Hollande haben das Gedenken an die Schlacht von Verdun vor hundert Jahren für einen Appell zu europäischer Geschlossenheit genutzt. "Gemeinsame Herausforderungen des 21. Jahrhunderts lassen sich nur gemeinsam bewältigen", sagte Merkel am Sonntag bei einer gemeinsamen Gedenkzeremonie.

Sie verwies unter anderem auf die Flüchtlingskrise. Hollande forderte, das "gemeinsame Haus Europa" zu "schützen". Hollande und Merkel erinnerten am Sonntag mit einer ganzen Reihe von Gedenkveranstaltungen an die Schlacht von Verdun, die als Sinnbild für die Grausamkeit des Ersten Weltkriegs gilt. Mehr als 300.000 Soldaten wurden zwischen Februar und Dezember 1916 auf den Schlachtfeldern rund um die lothringische Stadt getötet.

Bei der Abschlusszeremonie vor dem Beinhaus von Douaumont nahe Verdun, in dem die Knochen von 130.000 bei der Schlacht getöteten deutschen und französischen Soldaten ruhen, nahmen Merkel und Hollande die EU-Mitgliedsstaaten in die Pflicht. Derzeit gebe es "Schwächen" in der europäischen Gemeinschaft, sagte Merkel. Europa müsse wieder seine Fähigkeit "zum Kompromiss, zur Einigkeit" beweisen.

Arbeitsessen

"Rein nationalstaatliches Denken und Handeln hingegen würden uns zurückwerfen", sagte Merkel, die zuvor bei einem Arbeitsessen mit Hollande über aktuelle politische Themen beraten hatte. "So könnten wir unsere Werte und Interessen weder nach innen noch nach außen erfolgreich behaupten." Das gelte insbesondere für die Schuldenkrise und die Flüchtlingskrise.

Europa müsse sich die aus den "Katastrophen des 20. Jahrhunderts" gezogenen Lehren immer wieder bewusst machen, forderte die Kanzlerin. "Und das sind die Fähigkeit und die Bereitschaft zu erkennen, wie lebensnotwendig es ist, uns nicht abzuschotten, sondern offen für einander zu sein."

Auch Hollande zog eine direkte Verbindung von Verdun zu den heutigen Herausforderungen Europas. "Unsere heilige Pflicht ist in den verwüsteten Böden von Verdun festgeschrieben, sie lässt sich in wenigen Worten zusammenfassen: Lieben wir unsere Heimat, aber schützen wir unser gemeinsames Haus Europa, ohne das wir den Stürmen der Geschichte ausgesetzt wären." Der Sozialist mahnte, die Kräfte der "Spaltung, der Schließung und des Rückzugs sind wieder am Werk".

Kranzniederlegung und einer Schweigeminute

Hollande und Merkel hatten den gemeinsamen Tag mit einer Kranzniederlegung und einer Schweigeminute auf dem deutschen Soldatenfriedhof von Consenvoye nördlich von Verdun begonnen. Anschließend besuchten sie das Rathaus von Verdun – vor Merkel hatte noch kein deutscher Regierungschef die Stadt selbst besucht.

Verdun sei "eine der fürchterlichsten Schlachten, die die Menschheit erlebt hat", sagte Merkel. Verdun stehe aber nicht nur "für unfassbare Grausamkeit und Sinnlosigkeit des Krieges", sondern "auch für die Lehren daraus und die deutsch-französische Versöhnung".

Sie verwies auf die historische Versöhnungsgeste zwischen dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) und Frankreichs Präsident Francois Mitterrand im September 1984. Die Staatsmänner hatten damals vor dem Beinhaus von Douaumont Hand in Hand der Kriegstoten gedacht – die Geste gilt als Meilenstein in der Aussöhnung der früheren "Erbfeinde" Deutschland und Frankreich.

Auch am Sonntag wurde die Hauptzeremonie vor dem Beinhaus von Douaumont abgehalten. 3400 Jugendliche aus Deutschland und Frankreich führten eine szenische Inszenierung von Regisseur Volker Schlöndorff auf, die die Erinnerung an das Grauen der Schlacht mit einem Signal der Hoffnung und des Aufbruchs verband.

Nach Gesprächen mit den Jugendlichen entzündeten Merkel und Hollande im Inneren des Beinhauses gemeinsam eine "Flamme der Erinnerung" zum Gedenken an die Kriegstoten. "Uns trennen keine Gräben mehr", sagte Merkel. "Als Freunde gedenken wir gemeinsam der Vergangenheit und gestalten miteinander die Zukunft." (APA, AFP, 29.5.2016)