Geschäfte für Liebhaber: Am Hof in Wien sind Pfeifen Geschichte.


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Wien – Eva Abi-Fadel mag nicht mehr. 30 Jahre lang stand sie fast täglich in ihrem Geschäft. Kannte die Kunden beim Namen, wusste um ihre Vorlieben, Krankheiten und familiären Verhältnisse. "Es war wie beim Friseur. Wir sind zusammengewachsen und dabei gemeinsam alt geworden. Aber nun ist Schluss, wir sperren zu."

Abi-Fadel verkauft in der Wiener Innenstadt Pfeifen. Tausende sind es, aus aller Welt, viele handgemacht, darunter Raritäten und Unikate. Seit 205 Jahren hat ihr Geschäft "Josef Ostermann Am Hof" nun schon Bestand. Es ist das älteste seiner Art in Österreich, und wohl auch auf dem ganzen Kontinent, wie Kenner der Branche gerne erzählen. Den Beweis dafür antreten muss niemand mehr. Abi-Fadel geht Ende Juni in Pension, Nachfolger für ihr Gewerbe hat sie keine gefunden.

Kein Vergleich mit Wurstsemmeln

"Hier liegt mein Geld, totes Kapital, auf Kommission ist heute ja nichts mehr zu bekommen", sinniert sie und lässt den Blick über die Pfeifen wandern. Aufbewahrt in hunderten schmalen Schubladen mit Goldknöpfen lagern weitere. Eine ausklappbare wackelige Leiter führt zum Depot im oberen Geschoß. Schwarze Farbe blättert vom Mobiliar des Geschäfts, die Einrichtung stammt aus der Jahrhundertwende. Bis zu zehn Jahre ruhen Pfeifen hier mitunter, ehe sich ein Käufer findet. Schnelldreher sind der Branche fremd.

Schon ihre Großmutter handelte mit Pfeifen. Sie sei von Kind auf ins Geschäft hineingewachsen, erinnert sich Abi-Fadel. "Es ist nicht wie Wurstsemmeln verkaufen, da muss man sich schon auskennen."

Belastungen, die das Geschäft verglimmen lassen

Die Blütezeit hat sie Anfang der 90er-Jahre erlebt, als internationales Publikum günstig in Wien einkaufte. Dann kamen der Euro, die EU, strengere Rauchergesetze und Zigarren, die Pfeifen alt aussehen ließen. Viele Stammkunden aus Österreich und aller Welt, von den USA über Südamerika bis Japan und China, blieben. Doch von ihren Besuchen alle paar Jahre wieder lässt es sich halt auf Dauer nur schwer leben.

Vom Onlinehandel hat Abi-Fadel nie viel gehalten, auch wenn ihre Mutter davon träumte. Eine Pfeife sei etwas sehr Persönliches, sagt die Tochter. Man müsse sie in die Hand nehmen, angreifen, ehe man sich für sie entscheide. Abgesehen davon hätte sie ja auch gar nicht die personellen Kapazitäten dazu, Waren zu verpacken, zu versenden und dann auch noch die Retouren abzuwickeln.

"Es steckt viele Liebe drinnen"

Finanziell wurde es für kleine Traditionshändler wie sie immer enger. Der Ertrag reichte aus, um die Rechnungen zu bezahlen, um den Kindern eine gute Ausbildung zu ermöglichen und um halbwegs davon leben zu können. Reich jedoch werde damit keiner.

Abi-Fadel sieht Geschäfte wie das ihre vielmehr als Hobby. "Es steckt viel Liebe drinnen, der Ehrgeiz, etwas Besonderes zu haben." Doch im Zuge neuer Belastungen, wie etwa durch die Registrierkasse, tut sich das, wie sie glaubt, bald keiner mehr an. "Wer sich selbstständig machen will, dem kann ich nur zu viel Vorsicht raten."

"Keiner kauft sich Arbeit", sagt ein älterer Herr, der zeitvergessen Pfeifen unter der Lupe prüft. Vor 40 Jahren habe er hier seine erste erworben, seither habe er tausende gesammelt, ergänzt er, bedauernd, dass die Tage des Geschäfts gezählt sind. Wer nach Ostermann in den Standort in der Wiener Innenstadt einzieht, steht Abi-Fadel zufolge in den Sternen. Pfeifen seien hier jedenfalls Geschichte. (Verena Kainrath, 29.5.2016)