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Mullah Akhundzada ist neuer Führer der Taliban.

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Kabul/Dubai – Die radikalislamischen Taliban in Afghanistan hatten es sichtlich eilig, den Chefposten wieder zu besetzen: Kaum vier Tage nach dem Tod ihres Führers Mullah Akthar Mansur kürte ihre Spitze den bisherigen Vize Mullah Haibatullah Akhundzada zum Nachfolger. Der hochrangige Religionsgelehrte und Richter sei der neue "Führer der Gläubigen", erklärte ein Taliban-Sprecher am Mittwoch. Damit wollte die Talibanspitze offenbar Nachfolgekämpfe verhindern und die Bewegung wieder einen.

Ob das gelingt, ist allerdings fraglich. Noch am Mittwoch tauchte prompt eine Audiobotschaft auf, in der der neue Taliban-Chef angeblich Friedensgesprächen eine Absage erteilt. "Nein, wir werden an keinerlei wie auch immer gearteten Friedensgesprächen teilnehmen", heißt es in der Aufnahme, die laut der Agentur Reuters von einer Taliban-Gruppe verbreitet wurde. Der bekannte Taliban-Sprecher Zabiullah Mujahid bezeichnete die Botschaft allerdings als "Fälschung". Die Verwirrung könnte ein Hinweis auf erneut aufflammende Machtkämpfe sein.

Religiöse Autorität

Akhundzada, der zwischen 55 und 60 Jahre alt sein soll, hat zwar keine Kampferfahrung auf dem Schlachtfeld, gehört aber der alten Taliban-Gründergeneration an und genießt als religiöse Autorität und Richter hohen Respekt unter den Kämpfern. So zeichnete er für fast alle Fatwas verantwortlich, die die blutigen Attacken der Taliban religiös rechtfertigten. Zudem war er Weggefährte des legendären Taliban-Chefs Mullah Omar, der ihn angeblich "Lehrer" nannte.

Zu Akhundzadas erstem Stellvertreter wurde der Hardliner Sirajuddin Haqqani ernannt, der bereits unter Mansur die Militäroperationen geleitet hatte. Sein Haqqani-Netzwerk ist wegen seiner brutalen Selbstmordanschläge gefürchtet. Zweiter Vize wurde Mullah Jakub, der Sohn von Mullah Omar. Beide hatten auch als mögliche Kandidaten für den Chefposten gegolten, waren aber umstritten gewesen.

Drohnenangriff gegen Mansur

Zugleich bestätigten die Taliban erstmals offiziell den Tod von Mansur, der am Samstag bei einem US-Drohnenangriff getötet worden war. Es war das erste Mal, dass die USA einen hochrangigen Führer der afghanischen Taliban in der pakistanischen Provinz Belutschistan töteten. Seit Monaten bemühen sich Afghanistan, Pakistan, China und die USA vergeblich, die Tali- ban an den Verhandlungstisch zu holen.

Die USA begründeten die Tötung Mansurs damit, dass er sich Verhandlungen verweigert habe. Afghanistans Regierung drohte dem neuen Taliban-Chef, ihn werde das gleiche Schicksal ereilen, wenn er Gespräche ablehne. Die Strategie, die Taliban an den Verhandlungstisch zu bomben, könnte allerdings nach hinten losgehen. Experten fürchten, dass die Taliban ihre Angriffe nun erst recht verstärken, um Mansur zu rächen. Am Mittwoch schlugen die Taliban in Kabul zu und töteten bei einem Anschlag auf einen Bus elf Menschen.

US-Präsident Barack Obama erklärte am Donnerstag, die Taliban seien weiterhin eine Organisation, die "eine Strategie der Gewalt verfolgt und unschuldige Menschen in die Luft sprengt".

Interne Machtkämpfe

Über den neuen Taliban-Chef ist nicht allzu viel bekannt. Wie Omar stammt er aus der Region Kandahar, der Wiege der Taliban. Er hielt sich im Hintergrund, spielte aber seit langem im Führungszirkel der Taliban eine entscheidende Rolle. Während ihres Regimes in Afghanistan und auch später diente er als "Chefrichter".

Die Taliban-Führung hofft, dass Akhundzada mit seinen ethnischen und politischen Banden die zerstrittene Bewegung wieder einen kann. Ob das gelingt, scheint allerdings fraglich. Die Militanten werden von Machtkämpfen erschüttert, seit im Sommer 2015 bekannt wurde, dass Mullah Omar bereits seit Jahren tot ist. Mansur hat sich damals an die Macht geputscht. (Christine Möllhoff, 26.5.2016)