Irmgard Griss hat in der politischen Landschaft Österreichs eine wichtige Funktion erfüllt. Sie tauchte plötzlich auf, sprach klar, unverstellt und wohlformuliert (was man alles nicht mehr gewohnt war), und sie erfüllte das Bedürfnis vieler bürgerlicher Menschen nach etwas Neuem.

Sie ist in vielem konservativ, in anderem liberal (zum Beispiel als Katholikin). Sie ist gesellschaftspolitisch nicht so schrecklich altmodisch wie die ÖVP, gleichzeitig nicht so weit rechts wie die FPÖ. Sie hat immer auf ihre Unabhängigkeit gepocht, die teilweise auch der Unwille war, ihre persönlichen Erfolge beim Publikum in eine politische Bewegung einzubringen. Manche meinen, sie hätte ein besseres Ergebnis als Van der Bellen gegen Hofer erzielt – sie vergessen allerdings, dass Irmgard Griss kaum so viele SPÖ-Stimmen bekommen hätte wie der grün-bürgerliche Professor. Jetzt steht sie da und weiß nicht recht, was sie mit den 19 Prozent Stimmen bei der Bundespräsidentenwahl machen soll. Noch eine bürgerliche Partei?

Nun bietet ihr nicht nur die ÖVP, sondern auch Kanzler Kern den Posten der Rechnungshofpräsidentin an. Griss wehrte zunächst ab, nun will sie sich das überlegen. Das ist man gewohnt bei ihr: Sie wollte auch zuerst nicht für die Hofburg kandidieren, dann nicht Van der Bellen unterstützen, sie tat beides doch). Vielleicht überlegt sie es sich auch hier. Dann allerdings ist ihre Bewegung wieder weg. (Hans Rauscher, 26.5.2016)