Dass man sein Geld in vielen Branchen leichter verdient als in der Gastronomie, hat Folgen.

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Wien – Dass die Gastronomie Probleme hat, geeignetes Personal zu finden, ist bekannt. Auch über die Gründe dafür wurde bereits ausgiebig diskutiert. Jetzt schlägt Zweihaubenkoch Fabian Günzel von Das Loft im Sofitel Vienna Stephansdom via Aussendung Alarm: "Ich suche seit einem Jahr Köche und kann keine finden. Dieser Mangel bringt uns regelmäßig an die Grenzen des Möglichen."

Unterstützung bekommt er von Willy Turecek, früher Fachgruppenobmann für Gastronomie in der Wirtschaftskammer. Der ortet sogar eine Zuspitzung der Lage. Laut seinen Angaben sucht fast jeder dritte Herd seinen Meister.

Günzel wurde kürzlich vom "Rolling Pin"-Magazin zum Newcomer des Jahres gekürt. Doch selbst das Schalten von Anzeigen in Fachpublikationen bringe kaum Erfolg, beklagt der 30-Jährige. Turecek stellt die Dimension des Problems noch dramatischer dar: "In den 7.500 Betrieben in Wien würde ich auf der Stelle 2.000 Köche unterbringen." Für manche Betriebe sei die Situation sogar existenzbedrohend. Was er auch sagt: "60 bis 70 Prozent der gelernten Köche üben lieber einen anderen Beruf aus als den eigentlich erlernten." In der Diagnose des Problems trifft er sich mit anderen: "Die Arbeit ist nicht familienfreundlich. Wochenende gibt es keines, und auch die Nächte sind oft kurz. Das will sich kaum mehr jemand antun."

Handwerk lernen

In das gleiche Horn stößt Günzel: "Anscheinend ist es nicht mehr cool, ein echtes Handwerk zu lernen. Klar, auf die Universität gehen, zehn Jahre studieren und sich von den Eltern aushalten lassen, das hat schon was", gibt er erzürnt zu Protokoll. "Koch zu sein ist ein sehr erfüllender Beruf, auch wenn er hart ist." Man müsse eben wie in vielen anderen Berufen bereit sein, über gewisse Zeitgrenzen hinaus zu arbeiten. "Man wird nur dann zur großen Nummer, wenn man auch bereit ist, einiges mehr zu leisten. David Alaba hat auch länger trainiert als seine Ex-Kollegen in der Fußballakademie. Und wir wissen, wo er heute steht."

Was beide nicht erwähnen: 1.420 Euro brutto beträgt der monatliche Mindestlohn im Hotel- und Gastgewerbe. Mehr wird – zumindest in den ersten Jahren eines Beschäftigungsverhältnisses – selten gezahlt. In Österreich gibt es derzeit rund 50.000 Wirte mit 220.000 unselbstständigen Mitarbeitern. Nur ein Fünftel des Personals bleibt länger als drei Jahre beim gleichen Unternehmen. Peter Dobcak, amtierender Gastronomie-Obmann in der Wirtschaftskammer bestätigt gegenüber dem STANDARD den Mangel. Er will das "nicht rosige Lohnniveau" gar nicht beschönigen. Insgesamt findet er aber, wäre es sinnvoller, "wenn die Sozialpartner die Branche weniger schlechtreden". Auch die Arbeitszeitregelungen würden mit der Realität der Branche wenig zu tun haben.

Aber was muss man – von all dem abgesehen – eigentlich mitbringen, um als Koch erfolgreich zu sein? Günzel meint: Durchhaltevermögen. Leidenschaft. Die Fähigkeit, auf sein Ziel fokussiert hinzuarbeiten. Und das über einen Zeitraum von gut zehn Jahren. Auf solche Anforderungen sei der Nachwuchs nicht eingestellt: "Viele sind einfach zu verhätschelt." (red, 25.5.2016)

Anm: Der Mindestlohn wurde im heurigen April auf 1.420 erhöht und liegt damit nicht mehr wie ursprünglich im Artikel stand, bei 1.320 Euro.