Frank-Walter Steinmeier hat den Wahlsieg des designierten Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen lapidar kommentiert: "Ganz Europa fällt ein Stein vom Herzen."

Das ist eine bemerkenswerte Aussage für einen deutschen Außenminister, ein Schwergewicht in der Europäischen Union, wenn man in Betracht zieht, wie klein Österreich mit achteinhalb Millionen Einwohnern in einer Gemeinschaft aus 28 Staaten mit 507 Millionen Bürgern doch im Grunde ist.

Steinmeiers Perspektive ist prototypisch für die Reaktionen, die es quer durch den Kontinent aus fast allen Regierungen, gemäßigten Parteien und EU-Institutionen gab: Es herrscht Erleichterung über "die knappe Niederlage der extremen Rechten", wie die New York Times titelte, die aber einen "Riss durch Österreich" konstatierte.

Die französische Tageszeitung Le Monde hob dazu hervor, man müsse im Blick behalten, für wen bzw. wofür fast jeder zweite Wähler votierte: "eine FPÖ, die auf der Welle der Ablehnung von Flüchtlingen und der ganzen Konstruktion der EU dahinsurft".

Aus Sicht der europäischen Partner standen nicht innenpolitische Weichenstellungen in Wien im Zentrum des Interesses, sondern die möglichen direkten Folgen für die Union beziehungsweise einzelne Mitgliedsländer.

Zwei Hauptfragen stellen sich. Erstens: Geht der Zulauf zu den radikalen Rechtsparteien wie dem Front National (FN) in Frankreich, der Lega Nord in Italien oder eben der FPÖ ungebrochen weiter? In einer Fraktion unter FN-Chefin Marine Le Pen im EU-Parlament vereint, fordern die extrem Rechten und Rechtspopulisten das Ende des Euro ebenso wie den Stopp der Zuwanderung, die Wiedereinführung von Grenzkontrollen. Sie warnen in drastischen Worten vor "Völkermord" und "islamischer Invasion", wollen die EU von innen sprengen.

Zweitens: Bleibt Österreich, das vor 21 Jahren als besonders integrationsfreundliches Land der EU beigetreten war, auf dieser Linie und ein verlässlicher Partner der "Kerneuropäer"?

Was den ersten Aspekt betrifft, müssten sich die EU-Partner eigentlich weniger erleichtert als alarmiert zeigen. Zwar ist Norbert Hofer nicht Präsident geworden. Aber er hat vorgeführt, wie man mit freundlich-sympathischem Auftreten und gleichzeitig harten rechtsnationalistischen Inhalten punkten kann. Zu Recht aufatmen können die EU-Partner hingegen, was den europapolitischen Kurs Österreichs in Brüssel betrifft.

Der künftige Bundespräsident Van der Bellen kann als Garant dafür angesehen werden, das jede Bundesregierung – egal in welcher Zusammensetzung – während seiner Amtszeit bis 2022 auf Kontinuität setzen wird. Sollte die FPÖ 2018 in die Regierung wollen, wird der Präsident sie mit einer Europapräambel binden – so wie Thomas Klestil 2000 bei Schwarz-Blau.

Der Ex-Parteichef der Grünen und Ökonomieprofessor war immer ein Befürworter der Integration, auch als seine Parteifreunde 1994 den EU-Beitritt noch ablehnten. Dass er kein unkritischer Geist ist, kein "EU-Jubler", und auf stärkere Akzente in ökologischen und sozialen Fragen drängen wird, ist sogar ein Vorteil. Es wäre sehr gut, wenn Europapolitik in Österreich vom Schwarz-Weiß-Denken befreit wird, es zu einer vernünftigeren Debatte über die Zukunft des Landes in Europa käme.

Van der Bellen hat angekündigt, er wolle das Land vereinen, auf Kritiker und EU-Skeptiker zugehen: ein gutes Rezept gegen rechts. Wenn ihm das gelingt, wird er ein großer Präsident. (Thomas Mayer, 24.5.2016)