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Besser gut abgedeckt: Werden die Aktien kleinerer Firmen weniger analysiert, könnten sie von großen Investoren im Regen stehengelassen werden.

Foto: Mark Keppler

Wien – Wenn es um Nachteile der Wiener Börse geht, wird unter Profiinvestoren oft die mangelnde Umsatztätigkeit bemängelt. Diese Schwäche droht die Europäische Union künftig mit der neuen Finanzmarktrichtlinie Mifid II sogar weiter zu verschärfen. Damit sollen die Regelungen grundsätzlich an neue Technologien im Geschäft mit Finanzprodukten wie den schnellen Hochfrequenzhandel angepasst werden.

Es findet sich darunter aber auch eine zunächst recht unscheinbar wirkende Vorschrift, wonach ab Jahresbeginn 2018 Kunden wie Investmentfonds für Marktreports von Analysten bezahlen müssen. Die grundsätzliche Befürchtung: Es könnte sich für die Researchabteilungen der Banken mangels entsprechender Nachfrage künftig nicht mehr lohnen, mittlere und kleine Unternehmen, wie sie am Wiener Aktienmarkt reichlich vorhanden sind, zu analysieren.

Keine gute Nachricht

Während es seitens der Wiener Börse heißt, man evaluiere die Auswirkungen von Mifid II noch, sieht Geschäftsführer Alois Wögerbauer vom Fondsanbieter 3 Banken Generali Investment dieser Änderung "mit Bauchweh" entgegen: "Ich glaube, dass das für den Wiener Markt an sich keine gute Nachricht ist." Er stuft die Wahrscheinlichkeit als hoch ein, dass ab 2018 tatsächlich weniger Analysen zu Wiener Aktien aus der zweiten Reihe wie AT&S, Palfinger oder Rosenbauer erscheinen werden, weshalb in diesem Fall weniger ausländische Investoren am Wiener Markt tätig sein würden – was sowohl für das Kursniveau als auch für die Umsatztätigkeit dieser Titel nicht gerade förderlich wäre.

"Theoretisch hätte die Regelung kaum Auswirkung auf das Kursniveau, schließlich gehe es beim Research darum, den fairen Wert eines Unternehmens zu ermitteln", erklärt Bernd Maurer, stellvertretender Leiter der Aktienanalyse der Raiffeisen Centrobank. "Sollte jedoch die Marktabdeckung abnehmen, könnten das Handelsvolumen und die Aufmerksamkeit bei Investoren sinken." Eine mögliche Auswirkung dessen: Beim Preisniveau könnte es zu gewissen Risikoabschlägen kommen.

Auswirkungen noch unsicher

Allerdings ist dieses Szenario für Maurer keine ausgemachte Sache: "Welche Auswirkungen die Regelung tatsächlich haben wird, wird sich erst in den Jahren nach 2018 zeigen." Er erwartet zwar, dass in der Industrie eine Art Anpassungsprozess angestoßen wird, gibt aber zu bedenken, dass auf kleinere und mittlere Unternehmen spezialisierte Investmentfonds auch weiterhin eine Abdeckung dieses Marktsegments durch Aktienanalysen benötigen würden.

"Wenn man sich über lange Jahre einen Namen bei der Coverage von kleinen und mittleren Unternehmen gemacht hat, wird das wahrscheinlich als Erstes nachgefragt werden", erwartet Maurer. Künftig seien Pauschallösungen für Kunden ebenso denkbar wie eine modulartige Gestaltung der Produkte.

Eine andere denkbare Möglichkeit wäre, dass künftig die an der Börse notierten Unternehmen selbst für die Analysen bezahlen werden. Schließlich wäre eine bessere Analystenabdeckung der eigenen Aktie auch für sie von Vorteil. Das Papier erhält mehr Aufmerksamkeit, und die Transparenz der Geschäftsentwicklung nimmt zu, was für den Emittenten zu tendenziell geringeren Finanzierungskosten führen sollte.

Nicht nachvollziehbar

Auf Unverständnis stößt die neue Regelung zur Vergütung von Analysen bei Aktionärsschützer Wilhelm Rasinger: "Ich habe das bisher nicht als großes Problem gesehen. Diesen dringenden Handlungsbedarf kann ich nicht nachvollziehen." Brüssel betrachte alles aus Sicht der Großen, kritisiert der Präsident des Interessenverbands der Anleger, die Änderung werde zu einer "Konzentration auf die Großen" führen. "Das bedeutet, dass es bei kleinen und mittleren Unternehmen zu einer gewissen Austrocknung kommen wird."

Etwas Positives kann 3-Banken-Generali-Chef Wögerbauer der Neuerung aber doch abgewinnen: Wer die Arbeit nicht scheue und Aktien selbstständig analysiere, dem können weniger oft gecoverte Titel künftig größere Chancen eröffnen, gibt er zu bedenken. "Dann kann man leichter unentdeckte Perlen finden." (Alexander Hahn, 27.5.2016)