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Bei Google in Paris stand am Dienstag schon in aller Früh ein Großaufgebot der Steuerbehörden auf der Matte.

Foto: REUTERS/Jacques Brinon

Paris – Ein so großer Aufmarsch von Steuerbeamten war sogar für französische Verhältnisse sehr ungewöhnlich: Ungefähr hundert Angestellte des Fiskus und der Brigade gegen "große Finanzkriminalität" statteten dem Pariser Sitz von Google France am frühen Dienstagmorgen einen Besuch ab. Was sie suchten, wollten weder die Regierung noch Google bekanntgeben. Doch der Zweck der Hausdurchsuchung war klar: Die Staatsagenten suchten nach Hinweisen, wie Google seine "Steueroptimierung" betreibt.

Über das Resultat der Hausdurchsuchung wurde vorerst nichts bekannt. Nach einer ähnlichen Operation hatte es im Februar geheißen, der französische Fiskus verlange von Google 1,6 Milliarden Euro an steuerlichen Nachzahlungen. Google behauptet dagegen, seiner Steuerpflicht auch in Frankreich vollumfänglich nachgekommen zu sein.

Unlautere Methoden

Paris wirft dem US-Konzern hingegen unlautere Methoden vor. Google France betreibt seine französische Suchmaschine und die damit verbundenen Werbeeinnahmen in Frankreich über die Plattform Adwords in Irland. In Frankreich selbst wickelt das Tochterunternehmen offiziell nur seine Beratertätigkeit für den Mutterkonzern in den USA ab. Daraus resultierte 2014 ein Umsatz von bloß 17,2 Millionen Euro und eine Steuerrechnung von rund fünf Millionen.

Die dutzendfach höheren Einnahmen gehen, wie Steuerexperten annehmen, via eine niederländische Zwischenstation nach Irland und von dort auf die Bermudas, wo die Google Ireland Holding eingeschrieben sein soll. Insider nennen das in der Privatwirtschaft bekannte Verfahren "holländisches Sandwich" oder "irländisches Doppel". Das G20-Gremium hat solche Praktiken im vergangenen Herbst verurteilt und lässt OECD-Standards gegen diese Art von Steueroptimierung ausarbeiten. Kernpunkt ist die Besteuerung aller Aktivitäten an ihrem Ausführungsort.

Steuerdeal

Großbritannien hatte mit Google Anfang dieses Jahres eine Steuerabfindung in Höhe von umgerechnet 172 Millionen Euro ausgehandelt. Sie umfasst ebenfalls nicht alle Aktivitäten. Der französische Finanzminister Michel Sapin lehnt so etwas prinzipiell ab.

Abgesehen von den fiskalischen Fragen streiten sich Frankreich und Google auch über inhaltliche Fragen kommerzieller, aber auch sehr politischer Natur. Dazu gehört das "Recht auf Vergessen". Franzosen verlangen besonders häufig, dass Google persönliche Daten und Sucheinträge, die das Persönlichkeitsrecht verletzen, aus dem Internet löscht. Der Suchmaschinenbetreiber ist dazu bereit, aber nur auf Landesebene. Die französische Datenschutzbehörde CNIL setzte bereits durch, dass die Daten EU-weit gelöscht werden müssen, verlangt jetzt aber auch, dass Google die Daten sogar insgesamt, das heißt weltweit, entfernt.

Recht auf Vergessen

Dagegen hat Google France vor wenigen Tagen Einspruch erhoben. Der Konzern behauptet, der französische Präzedenzfall könnte dazu führen, dass weniger demokratische Staaten das "Recht auf Vergessen" zu Zensurzwecken missbrauchen könnten.

Unbelegt ist die Vermutung einzelner Blogger, dass zwischen der neuesten Hausdurchsuchung bei Google und dessen Widerstand gegen das Rundumlöschen ein Zusammenhang bestehen könnte. (Stefan Brändle aus Paris, 24.5.2016)