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Auf der politischen Bühne hat das neurolinguistische Programmieren schon lange Platz genommen.

Foto: Reuters/HEINZ-PETER BADER

Glaubt man diversen Medienberichten, dann sind diese drei Buchstaben mit dafür verantwortlich, dass Norbert Hofer im gerade zu Ende gegangenen Wahlkampf so erfolgreich war und es fast bis ins höchste Amt des Staates geschafft hat: NLP.

NLP steht für neurolinguistisches Programmieren und gilt als wahre Wundermethode, mit der sich so ziemlich alles erreichen lässt, was man gerne erreichen möchte. "Es ist Magie, man ist ein eigener Zauberkünstler", begeistert sich eine offensichtlich zufriedene Absolventin eines NLP-Kurses auf der Website des Österreichischen Trainingszentrums für neurolinguistisches Programmieren.

Dort verspricht man den Kursteilnehmern "ein besseres Privatleben, eine bessere Karriere" und überhaupt "mehr Erfolg im Leben". Die knapp 4.000 Euro, die man investieren muss, um den "NLP & NLPt Professional Master Practitioner"-Diplomkurs belegen zu dürfen, scheinen angesichts dieser Behauptungen gut angelegt zu sein. Allerdings nur, wenn NLP auch all diese großen Versprechen halten kann. Und das ist eher zweifelhaft.

Die gesamte Neurologie

Die Bezeichnung suggeriert einen wissenschaftlichen Hintergrund. "Neurolinguistik" klingt nach Hirnforschung, Sprachwissenschaft und Psychologie. Und die einschlägigen Anbieter und Ausbildner unterstützen diese Sichtweise. "Professionell und hochwirksam" sei die NLP, sagt das Österreichische Trainingszentrum. Und der Österreichische Dachverband für neurolinguistisches Programmieren erklärt zu NLP: "Hinter dieser Bezeichnung stehen die Grundannahmen, dass wir Menschen die Welt nicht nur mit unseren Sinnen, sondern mit unserer gesamten Neurologie – damit ist die Einheit von Sinnesorganen, Nervenbahnen und Gehirn gemeint – wahrnehmen und unsere Erlebnisse und Erfahrungen auch in den fünf Sinnessystemen verarbeiten."

Die gesamte Neurologie! Das kann nur seriöse Wissenschaft sein. Oder vielleicht doch nicht: NLP sei "eine Verschmelzung von ungeprüften Hypothesen und Versatzstücken des Positiven Denkens", sagte Viktor Lau, Autor von "Schwarzbuch Personalentwicklung – Spinner in Nadelstreifen" in einem Interview mit dem "Spiegel". Und mit seiner Meinung steht er nicht allein da. Die (tatsächlich echten) wissenschaftlichen Studien lassen die Behauptungen der NLP-Anhänger nämlich eher zweifelhaft erscheinen.

Fehlende Belege

"NLP ist ineffektiv; sowohl als Modell, um menschliche Wahrnehmung und Kommunikation zu erklären, und auch als Technik der Beeinflussung und Überzeugung", schreibt der polnische Psychologe Thomas Witkowski in einer Metastudie zu NLP ("The Scientific Review of Mental Health Practice", 9/2012). Eine Studie britischer Mediziner hat die Behauptungen einer angeblichen therapeutischen Wirkung von NLP untersucht und kam zu dem Schluss, dass "derzeit nicht genügend Belege vorliegen, um den Einsatz von NLP zu empfehlen" (Sturt et al., "British Journal of General Practice", 2012/62).

Sieht man sich die Grundprinzipien an, auf denen die NLP basiert, ist das auch wenig überraschend. Die angeblich so wissenschaftliche Lehre von der Kommunikation baut zum Beispiel auf solchen trivialen Aussagen auf: "Wenn du das tust, was du immer getan hast, wirst du bekommen, was du immer bekommen hast. Wenn du etwas anderes willst, verändere dein Verhalten." Oder sie knüpft an eher naive Vorstellungen wie "Ein Mensch funktioniert immer perfekt und trifft stets die beste Wahl auf der Grundlage der für ihn verfügbaren Informationen" an. Mit Neurologie hat das alles nicht viel zu tun; mit Wissenschaft noch viel weniger.

Auch für Behauptungen der NLP, die mittlerweile schon im Allgemeinwissen angekommen scheinen, gibt es bei näherer Betrachtung keine Belege. Psychologen aus Großbritannien und Kanada untersuchten zum Beispiel den Zusammenhang, der laut NLP zwischen der Augenbewegung und dem Wahrheitsgehalt von Aussagen besteht. Wer lügt, schaut angeblich nach rechts oben; wer die Wahrheit sagt, nach links oben. In drei verschiedenen Experimenten konnte dafür keinerlei Bestätigung gefunden werden, das Fazit der Forscher lautet: "Es erscheint unverantwortlich, wenn diese Leute die Menschen weiterhin darin bestärken, wichtige Entscheidungen auf der Basis solcher Behauptungen zu treffen." (Wiseman et al., "PLoS One", 7/2012)

Grenzenloses Einsatzgebiet

Genau das tun die NLP-Vertreter aber mit großer Begeisterung. Es scheint so gut wie nichts zu geben, was man mit NLP nicht positiv verändern kann: "NLP kann in allen Bereichen helfen, wo es auch nur im weitesten Sinn um Kommunikation geht. Das kann bei Kommunikation nach außen, wie zum Beispiel in Beziehungen, bei der Erziehung von Kindern, Umgang mit Kollegen, Vorgesetzten, Untergebenen oder bei Verhandlungen und im Verkauf sein. Bei der Kommunikation nach innen geht es oft um mehr Kontrolle im Umgang mit Gefühlen wie Angst, Nervosität, Unsicherheit oder um die Unterstützung der Heilung von gesundheitlichen Problemen", erklärt der Österreichische Dachverband für neurolinguistisches Programmieren auf seiner Website.

Und da wird die Sache auch ein wenig unangenehm. Wenn es nur um Manager ginge, die sich in obskuren Seminaren gegenseitig einreden, sie könnten anderen Menschen per NLP ihren Willen aufzwingen, wäre das zwar immer noch eine Geld- und Zeitverschwendung, aber nicht allzu tragisch. Wenn man den Menschen aber erklärt, die teuren NLP-Kurse würden persönliche Probleme, Ängste oder gar gesundheitliche Probleme lösen können, wird es unverantwortlich.

Keine Wunderwaffe

Es ist unbestritten, dass man rhetorische Techniken erlernen kann, die einem bei Diskussionen Vorteile verschaffen. Und mit Sicherheit werden solche Techniken auch Teil der NLP-Ausbildung sein. Aber die Wunderwaffe zur Lösung aller Probleme, als die NLP von seinen Anhängern dargestellt wird, ist es definitiv nicht. Viel eher trifft das Urteil des Psychologen Christoph Bördlein von der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt zu: NLP ist "eine Art Pseudowissenschaft, die versucht, wie Psychologie auszusehen". Aber da man mit Pseudowissenschaft ja bekanntlich (und leider) viel Geld verdienen kann, wird NLP vermutlich so schnell nicht vom Markt verschwinden ... (Florian Freistetter, 25.5.2016)