Die finanziellen Probleme am Burgtheater wurden über viele Jahre verschleppt und zugedeckt. Spätestens 2013 war der Zug abgefahren. Die Verantwortlichkeit lastet auf vielen Schultern.

Foto: Heribert Corn

Wien – Ein Wort wie Kollektivschuld findet in einem nüchternen Rechnungshofbericht üblicherweise keinen Platz. Wer in der Causa Burgtheater aber eins und eins zusammenzählt, kann – nach allem, was bisher über das Finanzdebakel bekannt geworden ist – schon länger zu einem solchen Befund kommen.

Heute wurde dem Nationalrat der 268 Seiten dicke Rechnungshofbericht zur Direktion Matthias Hartmann (2008–2013) vorgelegt. Im Wesentlichen werden darin die Ergebnisse des im Vorjahr abgeschlossenen parlamentarischen U-Ausschusses noch einmal bestätigt: Es offenbart sich ein Systemversagen, das von der Geschäftsführung im Theater über Kontrollorgane wie Aufsichtsrat und Holdingführung bis hinein ins Ministerium reicht.

Dem scheidenden Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) war all das bereits bekannt. Mit personellen Konsequenzen in Theater und Holding, der Sektionszusammenlegung im Ministerium, einer Gesetzesanpassung und einem Sparprogramm bei gleichzeitiger Erhöhung der jährlichen Basissubvention wurden die Wogen rasch wieder geglättet.

Kontrollorgane stärker im Fokus

Die Suche nach Schuldigen konzentrierte sich bisher auf Exdirektor Matthias Hartmann, die entlassene kaufmännische Leiterin Silvia Stantejsky und den ehemaligen Holdingchef Georg Springer. Der Rechnungshofbericht rückt nun auch die Rolle der Kontrollorgane wieder stärker in den Mittelpunkt. Das kollektive Missmanagement lässt sich dabei in drei Bereiche aufschlüsseln:

Verschwendung: Das Eigenkapital des Burgtheaters sank zwischen 2007 und 2013 von 15,6 auf minus 10,3 Millionen Euro. Grund dürften neben einer Reihe an Zahlungen ohne Belege vor allem nichteingehaltene Budgets gewesen sein: Zwar sind teure erste Saisonen nach einem Intendantenwechsel im Theaterbetrieb gang und gäbe, im Falle Matthias Hartmanns wurde das geplante Produktionsbudget von 6,3 Millionen Euro aber beinahe ums Doppelte überzogen.

Hartmann selbst erhielt bis zu seiner Entlassung im Jahr 2014 rund 2,2 Millionen Euro. Diesen Zahlungen wurde, so der Rechnungshof, "nicht immer ein nachvollziehbarer Leistungsgrund" zugeordnet. Getrickst wurde bei den Auslastungszahlen: Bei nichtausverkauften Vorführungen nahm man Plätze mit Sichteinschränkung im Nachhinein aus dem Angebot und trieb so die Auslastung auf 100 Prozent. Kritisiert wird auch die hohe Anzahl an ausgegebenen Dienst- und Regiekarten.

Bilanztricks: Fehlerhaft und nicht nachvollziehbar ist für die Rechnungsprüfer die Finanzgebarung von Silvia Stantejsky. Insgesamt 21 Millionen Euro sind im untersuchten Zeitraum an Beschäftigte unter der Bezeichnung "Akonti" ausgezahlt worden. 80 Prozent davon ohne Belege. 9.400 Euro zahlte sich Stantejsky für "nichtkonsumierte Freizeit" ohne Rechtsgrundlage selbst aus.

Überhaupt stellt der Rechnungshof Stantejskys Bestellung infrage. Von einem Beratungsunternehmen bei ihrer Bewerbung nur an die dritte Stelle gereiht, kam sie letztlich doch zum Zug. Der Findungskommission gehörte auch ihr Vorgänger Thomas Drozda an – der am Mittwoch als neuer SPÖ-Kulturminister angelobt wird.

Kontrollversagen: Dass neben den Aufsichtsräten auch Holdingchef Georg Springer seine Kontrollfunktion vernachlässigte, daran lässt der Rechnungshof keinen Zweifel ("mangelnde Nachfragefreudigkeit"). Und schließlich kommt auch die frühere Kulturministerin Claudia Schmied (SPÖ) in dem Bericht nicht gut weg: Hartmanns Vertrag habe sie im Jahr 2012 ohne Ausschreibung und mit Wissen um die verschlechterte finanzielle Situation vorzeitig verlängert.

Burgtheater sieht 90 Prozent umgesetzt

Im Burgtheater sieht man den Endbericht des Rechnungshofs als "wesentlichen weiteren Schritt zur Aufarbeitung der Vergangenheit". Von den 67 dezidiert das Burgtheater betreffenden RH-Empfehlungen (die sich etwa nicht an den Aufsichtsrat richten), habe man 90 Prozent entweder bereits umgesetzt oder sei gerade dabei, heißt es in einer Stellungnahme des Hauses.

Man habe in den vergangenen zwei Jahren enorme Anstrengungen unternommen, betonte Thomas Königstorfer, kaufmännischer Geschäftsführer des Burgtheaters. So habe man sich zunächst vornehmlich der Punkte angenommen, die vom Haus alleine umsetzbar waren. Das Spektrum reiche hier unter anderem vom Umgang mit Barauszahlungen an Mitarbeiter, die um 90 Prozent gesenkt wurden, über die Kontrollen in der Hauptkasse, die monatlich durchgeführt werden, bis zur geordneten Archivierung von Unterlagen.

Bei den noch nicht vollständig umgesetzten Empfehlungen handle es sich vornehmlich um Punkte, die mehrere Häuser der Bundestheater-Holding beträfen. Demnach werde etwa die Beschaffung von Bühnenbildern, Kostümen und Requisiten unter Federführung der Holding evaluiert. Ebenso werde geprüft, ob eine Betriebsvereinbarung zum Zeitausgleich für das künstlerische Personal für alle Häuser geschlossen werden könne. Und auch eine Vertiefung des Themas Compliance-Kultur, also die Einhaltung von Regeln und Richtlinien, soll über die Holding-Häuser hinweg geprüft werden.

Neo-Kulturminister Drozda verlangt Bericht

Kulturminister Thomas Drozda (SPÖ) will von der Bundestheater-Holding eine Analyse zu den Erkenntnissen, die der Rechnungshof im aktuellen Endbericht zur Causa Burgtheater gezogen hat. "Ich werde die Holding beauftragen, bis zum Sommer einen Bericht vorzulegen, aus dem hervorgeht, welche Empfehlungen des Rechnungshofes bereits umgesetzt sind", so Drozda in einer Stellungnahme gegenüber der APA.

Zugleich sprach er den nach der Krise neu bestellten Chefs in der Burg (Karin Bergmann) und der Holding (Christian Kircher) explizit sein Vertrauen aus: "Mit ihnen und der neuen Struktur ist der Bundestheater-Konzern bestens für die Zukunft aufgestellt. Mit der Bestellung des neuen Geschäftsführers in der Bundestheater-Holding wurde insbesondere die Finanz- und Kontrollfunktion der Holding deutlich gestärkt."

Grünen-Kultursprecher Wolfgang Zinggl erinnerte in einer Reaktion daran, dass zur Zeit der Unregelmäßigkeiten Schmied die öffentliche und parlamentarische Kontrolle mit der Begründung reduziert habe, sie persönlich werde jede Letztverantwortung tragen. Ihr Nachfolger Ostermayer habe das Kontrollsystem "diesbezüglich nicht verbessert", es sogar "noch hermetischer geschlossen", spielt Zinggl auf die Stärkung der Holding durch die Novelle des Bundestheatergesetzes an.

Christian Kircher, Chef der Bundestheater-Holding, sieht den RH-Bericht als "wichtigen Beitrag, um künftig derartige, den gesamten Konzern erschütternde Krisensituationen von Anbeginn an zu unterbinden". Dementsprechend seien von den 19 Empfehlungen, die an die Bundestheater-Holding beziehungsweise den Aufsichtsrat der Burgtheater GmbH gerichtet waren, 17 bereits umgesetzt oder sollen im – bisher noch nicht eingetretenen – Anlassfall jedenfalls umgesetzt werden. (stew, 24.5.2016)