Schließlich gaben 31.026 Stimmen den Ausschlag: Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) verkündete am Montagnachmittag nach der Auszählung der Wahlkarten endlich das vorläufige Endergebnis der Stichwahl um das Bundespräsidentenamt. Danach stand fest: Alexander Van der Bellen wird am 8. Juli als neuer Bundespräsident im Parlament von der Bundesversammlung angelobt werden. Laut offiziellem Ergebnis kam er auf 50,3 Prozent der abgegebenen Stimmen, sein freiheitlicher Konkurrent Norbert Hofer kam auf 49,7 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei 71,7 Prozent. Van der Bellen ist der erste grüne Bundespräsident und überhaupt der erste, der nicht von SPÖ oder ÖVP kommt.

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Die Bekanntgabe des Ergebnisses hatte sich am Nachmittag immer wieder verzögert. Zuletzt hatten noch die Wahlkarten aus Innsbruck gefehlt, dort musste noch einmal nachgezählt werden.

Auf Van der Bellen entfielen insgesamt 2.254.484 Stimmen, auf Hofer 2.223.458. Vor Auszählung der 766.076 abgegebenen Wahlkarten (885.437 wurden beantragt) hatte das Ergebnis noch anders ausgeschaut, da lag Hofer mit 51,9 Prozent vorn. Schließlich entfielen aber 61,7 Prozent der Wahlkarten auf Van der Bellen.

"Österreich hat bewegte Stunden hinter sich", sagte Van der Bellen in einer Rede, "das hat niemanden unberührt gelassen. Umso größer ist die Verantwortung für mich." Er wolle die aufgerissenen Gräben, von denen viel die Rede war, nicht dramatisieren. Dass in den vergangenen Wochen so viel geredet und auch gestritten wurde, sei ein gutes Zeichen für die Politik: "Den Bürgern ist Politik nicht egal." Viele Menschen fühlten sich aber nicht gehört. "Es liegt eine Menge Arbeit vor uns." Man müsse sich nun gemeinsam um die Demokratie und Österreich kümmern – "aber in aller seiner Unterschiedlichkeit". Van der Bellen kündigte an, seine Mitgliedschaft bei den Grünen ab sofort ruhend zu stellen.

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Noch bevor der Innenminister das Ergebnis verkündete, gestand Hofer bereits seine Niederlage ein. "Natürlich bin ich heute traurig", schrieb er auf seiner Facebook-Seite. "Ich hätte gerne für Euch als Bundespräsident auf unser wunderbares Land aufgepasst. Ich werde Euch treu bleiben und meinen Beitrag für eine positive Zukunft Österreichs leisten." Hofer bedankte sich für die Unterstützung und schrieb an seine Anhänger: "Bitte seid nicht verzagt. Der Einsatz für diesen Wahlkampf ist nicht verloren, sondern eine Investition in die Zukunft."

"Wende eingeleitet"

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sah seinen Kandidaten als zweiten Sieger: "Norbert Hofer wurde heute ex aequo Sieger mit rund 50 Prozent der Stimmen und in einem Fotofinish um Millimeter gerade noch nicht zum österreichischen Bundespräsidenten gewählt", schrieb Strache auf seiner Facebook-Seite. Auch er ermutigte seine Fans zum Weitermachen. "Den Weg, den wir in den letzten elf Jahren geebnet haben, kann uns keiner mehr nehmen. Wir haben bereits eine Wende eingeleitet."

Denkbar ist, dass die FPÖ das Wahlergebnis anfechten wird. FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl erklärte, man werde keine "Wahlanfechtung um der Wahlanfechtung willen" durchführen. Allerdings will die FPÖ im Parteivorstand am Dienstag mögliche "Missstände substanzieller Art" bei der Auszählung der Wahlkarten prüfen. Finde man "wirklich Fleisch am Knochen", wolle man Einspruch erheben.

Gräben zuschütten

Der noch amtierende Bundespräsident Heinz Fischer wies in einem Statement darauf hin, dass es die wichtigste Aufgabe seines Nachfolgers sein werde, "die Gräben oder, sagen wir besser, die gravierenden Unstimmigkeiten zuzuschütten". Van der Bellen solle ein Staatsoberhaupt für alle Österreicher sein, "das traue ich Van der Bellen zu", sagte Fischer und fügte an, dass er diesen schon sehr lange kenne.

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Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) gratulierte Van der Bellen, sie zeigte sich zuversichtlich, dass das künftige Staatsoberhaupt durch eine besonnene Amtsführung eine einende und versöhnliche Kraft für das Land sein werde. Gerade nach einer polarisierenden Wahlauseinandersetzung brauche es an allen Stellen der Republik das ernsthafte Bemühen, die Gesellschaft zusammenzuhalten. Kardinal Christoph Schönborn appellierte an Van der Bellen, nach der Wahl "das Land zusammenzuführen".

In den Reigen der Gratulanten reihten sich auch Bundeskanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner. Kern hob hervor, dass Van der Bellen für eine Politik stehe, die proeuropäisch und weltoffen sei.

Beim ersten Durchgang der Wahl war Hofer mit 35 Prozent noch deutlich in Führung gelegen, Van der Bellen kam am 24. April auf 21,3 Prozent, obwohl er in praktisch allen Umfragen als Favorit gehandelt worden war. Im zweiten Wahlgang war Van der Bellen eine gewaltige Aufholjagd gelungen, er erzielte neben Wien wie schon im ersten Wahlgang auch in Vorarlberg, Tirol und Oberösterreich eine Mehrheit. Seinen Wahlsieg verdankt Van der Bellen dem städtischen Raum, er lag in allen Landeshauptstädten vor Hofer. (Michael Völker, 23.5.2016)