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Das war knapp: Dass Alexander Van der Bellen in die Hofburg einzieht, verdankt er zu einem beträchtlichen Teil seinem Gegenkandidaten Norbert Hofer. Viele Wählerinnen und Wähler votierten für den Grünen, weil sie einen Blauen als Staatsoberhaupt verhindern wollten. Die Polarisierung im Wahlkampf hat zur Mobilisierung beigetragen und Van der Bellen genützt.

Österreich ist mit zwei blauen Augen davongekommen. Es war eine Richtungsentscheidung mit Signalwirkung über die Landesgrenzen hinaus. Das Ergebnis ist ein Votum für Weltoffenheit und die Beibehaltung des bisherigen proeuropäischen Kurses. Das hat Van der Bellen in seiner ersten Erklärung nach dem Wahlsieg deutlich gemacht.

Nichtwähler als Wahlgruppe

Der langjährige Grünen-Chef hat mehr als 200.000 Menschen zur Stimmabgabe bewogen, die am 24. April nicht zur Wahl gegangen sind. Darunter waren auch Auslandsösterreicher, die sich um das Ansehen Österreichs in der Welt sorgten. Zum ersten Mal wäre in Westeuropa ein Rechtspopulist als Staatsoberhaupt gewählt worden – ein Signal über Österreich hinaus. Nicht umsonst reiste AfD-Chefin Frauke Petry zur Wahlparty nach Wien an, Geert Wilders aus den Niederlanden und Le Pen aus Frankreich sandten Glückwünsche.

Auch die Ankündigung Hofers, dass man sich noch wundern werde, was alles im Amt des Bundespräsidenten möglich sein werde, dürften viele als Drohung verstanden haben nach dem Motto: Wehret den Anfängen! Auch, wenn ein beträchtlicher Teil der Wähler Van der Bellen aus taktischen Gründen und nicht aus politischer Überzeugung gewählt hat: Das Ergebnis ist ein Zeichen gegen den Rechtsschwung in diesem Land.

Im Ausland wird, so zeigten die Reaktionen nach der Stichwahl und am Wahlabend, diese Wahl aber ganz anders wahrgenommen – fast die Hälfte der Österreicherinnen und Österreicher stimmten für einen Rechtspopulisten, also für jemanden, der autoritäre Positionen vertritt. Der Wahlerfolg von Hofer, der für die FPÖ das historisch beste Ergebnis eingefahren hat, wird als Siegeszug der Populisten gewertet. Österreich wird als Vorreiter einer Entwicklung gesehen, die auch in anderen Ländern Europas zu beobachten ist.

Erklärungsbedarf

Van der Bellen wird im Ausland viel erklären müssen: auch, dass nicht alle Hofer-Wähler Nazis sind (wie einige Medien behauptet haben), aber nicht alle ihn nur aus Protest gegen die Regierungspolitik gewählt haben.

Die weitere Entwicklung des Landes wird maßgeblich von der Arbeit der erneuerten Regierung unter Christian Kern abhängen. Dass Kern und Vize Reinhold Mitterlehner gemeinsam das Wahlergebnis kommentierten und erklärten, man habe den Protest verstanden, ist ein weiteres positives Signal. Vieles erscheint plötzlich möglich, was vor wenigen Wochen noch undenkbar schien: dass man den Stillstand des Landes tatsächlich überwindet, Reformen anpackt und einfach eine andere Politik macht. Van der Bellen sollte, wenn notwendig, als Antreiber agieren – eine Rolle, die man ihm bisher nicht zugetraut hat.

Die FPÖ wird nichts unversucht lassen, diesen Kurs und eine Aufbruchstimmung zu torpedieren. Dass sie Wahlmanipulation in den Raum stellt, zeigt sie als schlechten Verlierer. Historisch war diese Wahl: Der erste Wahlgang beförderte einen neuen Kanzler ins Amt, der zweite den ersten Grünen in die Hofburg. Wahlen können ein Land verändern. (Alexandra Föderl-Schmid, 23.5.2016)