Marie Rötzer: eine Niederösterreicherin kehrt heim.


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Sankt Pölten – Einen "historischen Tag" verzeichnete Intendantin Marie Rötzer aus Anlass ihrer Antrittspressekonferenz im Landestheater Niederösterreich. Die Bedeutsamkeit des Augenblicks beschränkte sich nicht allein auf die Auszählung der Wahlkarten. Rötzer stellt ihre erste Sankt Pöltener Spielzeit 2016/17 unter das Motto "Die Welt ist groß".

Ihre Vorhaben versteht sie als "Einladung zu einer Humanismusdebatte". Und weil sie für eine Zeit des Umbruchs auch "keine schnellen Lösungen" anzubieten hat, will sie ihr Haus vorsorglich als "Mutmacher- und Ideenmaschine" in Stellung bringen. Exemplarisch gezeigt werden sollen im Spannungsfeld von Heimat, Flucht und Migration "additive Lebensformen". DramaturgInnenprosa Ende.

Das Ensemble, in Teilen von Bettina Hering übernommen, umfasst aktuell elf Mitglieder. Unter den großteils jungen Neuzugängen sticht Bettina Kerl hervor, einst Karyatide am Wiener Schauspielhaus und zuletzt am Düsseldorfer Schauspiel engagiert. Als Gäste empfängt man u. a. Johannes Silberschneider und Toni Slama.

Den Auftakt im September 2016 bildet eine Dramatisierung von Ilija Trojanows frühem Migrationsroman Die Welt ist groß und Rettung lauert überall (Inszenierung: Sandy Lopicic). Die Musik kommt von den Strottern. Regieaufsteigerin Alia Luque aus Katalonien nimmt sich Grillparzers meisterlicher Trilogie Das goldene Vlies an, die Hauptrolle gibt Silja Bächli. Die Zeit vor Weihnachten versüßt man mit Alan Ayckbourns Schönen Bescherungen (Regie: Sarantos Zervoulakos). Die aus Kärnten gebürtige Julia Jost stemmt das Erzählwerk Roppongi ihres Landsmannes Josef Winkler (Jänner).

Nach einer Dramatisierung von Thomas Morus' Utopia durch das Theaterkollektiv YZMA (März) macht sich Gottfried Breitfuß, Gast aus dem Zürcher Schauspiel, über Shakespeares Ardenner-Wald-Komödie Wie es euch gefällt her. Weitere Vorhaben beinhalten die Uraufführung der Menschheitszentrifuge Schere Faust Papier von Michel Decar sowie ein Theaterprojekt des türkischstämmigen Berliners Hakan Savas Mican. Dieser nimmt sich der Wiener Türkenbelagerungen an, gesammelt werden Zeugnisse des von wechselseitigem Unverständnis geprägten Verhältnisses von Orient und Okzident.

Die Eroberung des goldenen Apfels hat im Mai 2017 Premiere, womit es auch wieder Vorhang auf heißt für das "Bürgertheater". Alfred Komarek sucht im Weichbild von Sankt Pölten nach Spuren verschwundener Orte, der liebenswürdige Titel der Recherche-Revue: Wo bist du hin entwichen?

Tatsächlich hat Maria Rötzer ihre Lebensreise über Sankt Pölten, Graz, Mainz und Hamburg zurück in die Traisenmetropole geführt. Gastspiele sehen Importe u. a. aus Berlin (Münchhausen von Jan Bosse), Zürich und vom Hamburger Thalia-Theater vor (Warten auf Godot von Stefan Pucher). Ein solides Eröffnungsprogramm harrt neugieriger Zuschauer. Die Latte liegt hoch, Bettina Hering hatte zuletzt eine Auslastung von über 90 Prozent. (poh, 23.5.2016)