Berlin – Der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck hat einen Missbrauch der Losung "Wir sind das Volk" durch rechtspopulistische Gruppen beklagt. "Das 'wahre Volk' hat in wahren – nämlich freien, gleichen und geheimen – Wahlen entschieden, welche Vertreter seine legitimierten Repräsentanten sein sollen", sagte er am Montag in einer Rede von mehr als 700 Kommunalvertretern in Berlin.

Es sei gerade für ihn als ehemaligen DDR-Bürger bitter, wie die Losung jetzt missbraucht werde, sagte er laut Redemanuskript am Tag des Grundgesetzes, ohne die Pegida-Bewegung namentlich zu nennen. "Es ist wirklichkeitsfern, ja lächerlich, wenn sich ihre Sprecher anmaßen, den Willen des Volkes zu repräsentieren", sagte Gauck. Er rief die Deutschen auf, sich stärker für die Demokratie zu engagieren.

Demokratie muss "ertragen werden"

Der Bundespräsident forderte zudem einen offenen Dialog mit abweichenden Meinungen. Die Demokratie sei die beste aller Staatsformen, aber sie müsse immer wieder neu erkämpft und erhalten werden. Dies setze die offene Auseinandersetzung mit anderen Meinungen voraus und sei deshalb manchmal sicher anstrengend. Aber so wie Willy Brandt früher "mehr Demokratie wagen" gefordert habe, heiße es heute "mehr Demokratie ertragen". Die Vielfalt im Einwanderungsland Deutschland sei größer geworden. Eine Demokratie lebe davon, dass auch Minderheitenrechte gewahrt würden. "Spannungen löst man nicht, indem man andere ausgrenzt und Meinungen stigmatisiert", mahnte er.

Eine Radikalisierung sei dagegen der falsche Weg, warnte der Bundespräsident. "Es muss klar sein: Die Toleranz des demokratischen Verfassungsstaates endet dort, wo zu Hass und Gewalt aufgestachelt wird". (Reuters, 23.5.2016)