FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, Wahlkampfleiter Herbert Kickl und Kandidat Norbert Hofer sangen am Wahlabend inbrünstig, ...

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... während Grünen-Obfrau Eva Glawischnig (rechts) entfesselt tanzte. Beide Oppositionsparteien hoffen, dass auch die Hemmschwelle der Wähler fällt.

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Die Freiheitlichen sind trotz knapper Niederlage bei der Präsidentenwahl der sichere Sieger: Davon geht Andreas Mölzer aus, wenn er an die nächste Nationalratswahl denkt. Die relative Mehrheit sei der FPÖ "fast nicht" zu nehmen, glaubt der ehemalige Europaabgeordnete: "Es sei denn, Messias Christian Kern überschreitet demnächst bloßfüßig die Donau."

Seine Zuversicht schöpft der blaue Ideologe aus dem Ergebnis vom Sonntag. Persönlichkeitswahl hin oder her – die errungenen 50 Prozent seien "absolut" ein Erfolg der FPÖ, sagt Mölzer. Schließlich habe sich Norbert Hofer ja eindeutig als freiheitlicher Kandidat deklariert.

Die Hemmschwellen-Theorie

Die Euphorie ist verständlich. Die einst übermächtigen "Großparteien" SPÖ und ÖVP waren bei der Bundespräsidentenwahl so abgemeldet wie nie zuvor, Blaue und Grüne machten das Rennen unter sich aus. Doch lässt sich die Revolution bei Parteiwahlen fortsetzen? Ist nun wirklich eine "Hemmschwelle" (Mölzer) gefallen, die früheren Außenseiter von rechts und links zu wählen?

Fritz Plasser sieht die Oppositionsparteien tatsächlich "an einem entscheidenden Wendepunkt" angekommen: "Das ist ein absoluter Durchbruch." Viel Prestige hätten FPÖ und Grüne am Sonntag gewonnen, sagt der Politologe, "so ein Ergebnis mobilisiert und motiviert". Ob der Schub auf Dauer anhält, sei allerdings nicht ausgemacht: Plasser rechnet mit erst einmal steigenden Umfragedaten, doch eine "Vorentscheidung" für künftige Wahlen lasse sich daraus nicht ableiten.

Noch vorsichtiger urteilt ein anderer Wahlforscher. "FPÖ und Grüne sollten den Ball flach halten", empfiehlt der Politikwissenschafter Peter Filzmaier, denn: "Ein Teil der Wähler vom Sonntag ist sofort wieder weg, wenn sie eine andere Alternative haben."

Verhindern als Motiv

Dass dies besonders für die Grünen gilt, lässt sich aus den Daten des Meinungsforschungsinstituts Sora schließen. Für 48 Prozent der Van-der-Bellen-Wähler war es wichtiger, den Gegenkandidaten Hofer zu verhindern, als den ehemaligen Grünen-Chef ins höchste Staatsamt zu hieven; umgekehrt war die Motivlage bei lediglich 29 Prozent. Weit stärker als der blaue Rivale verdankt der betont "überparteiliche" Professor seinen Erfolg bei der Stichwahl Menschen, die im ersten Durchgang für Irmgard Griss oder die Kandidaten von SPÖ und ÖVP votiert haben. Ein gutes Drittel der VdB-Wähler hat noch bei keiner Wahl bisher jemals einem Kandidaten der Grünen die Stimme gegeben.

Hofer hingegen hat im Wahlkampf tatsächlich kein Hehl daraus gemacht, blaue Positionen zu vertreten, eine zentrale Gefühlslage seiner Wähler – die Angst vor einer verschlechterten Lebensqualität – spricht auch die FPÖ als Partei an. Die Freiheitlichen haben also bessere Argumente, um den Erfolg ihres Kandidaten für sich zu reklamieren, doch auch sie profitierten von vielen "geliehenen" Stimmen. Der Anteil dezidierter Van-der-Bellen-Verhinderer beträgt in Hofers Elektorat immerhin 31 Prozent, ein Fünftel hat noch nie zuvor FPÖ gewählt.

Hurra-Geschrei vertreibt Wähler

Was laut Politologe Filzmaier überdies zu bedenken sei: Seit Kern die Regierungsspitze übernommen hat, "ist das Risiko für die FPÖ, diese Wähler wieder zu verlieren, gestiegen". Schließlich hält selbst ein Drittel der Hofer-Wähler die Rochade für positiv.

Auf beiden Seiten habe sich ein Gutteil der Wähler also nur unter großen "Zweifel und Bedenken" angenähert, analysiert Filzmaier und warnt Blaue wie Grüne vor "lautstarker Vereinnahmung": Nichts würde diese Menschen schneller vertreiben als aufdringliches "Hurra-Geschrei".

Die Grünen scheinen das zu beherzigen, Bundesgeschäftsführer Stefan Wallner gibt sich demütig: "Die Grünen sind nur ein Teil von Van der Bellens Ergebnis. Das war eine ganz breite Bewegung, in der viel in Eigenregie passiert ist."

Gemeinsam an Tür klingeln

Wallner zieht daraus eine Lehre für die Zukunft. Der Dialog über die Parteigrenzen hinweg sei genau das, was das Land jetzt brauche, und in dieser "neuen politischen Kultur" könnten die Grünen eine tragende Rolle entfalten. Im Wahlkampf seien viele Verbindungen in Gruppen fernab der Partei gewachsen, "man stand gemeinsam für Van der Bellen auf der Straße, hat gemeinsam an Haustüren geklingelt", sagt Wallner: "Da ist etwas Neues entstanden. Das gilt es nun zu pflegen." (Gerald John, 24.5.2016)