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Gut zwei Jahre lang muss ein Fußballrasen herangezogen werden, bevor er ins Stadion darf.

Foto: picturedesk / Caro

Wer Gartler heißt, dem kann das Schicksal wohl nur einen Beruf in die Wiege gelegt haben: den des Gärtners oder Greenkeepers. Harry Gartler lacht, als er diese Hypothese vernimmt. Denn auf ihn trifft sie nicht zu, zumindest nicht direkt. Der heute 51-Jährige war als stürmender Profifußballer eher für das Umpflügen des Fußballrasens zuständig. "Da habe ich mir sicher nicht so viele Gedanken über den Zustand des Rasens gemacht", sagt er.

Aber als Projektleiter für das neue Stadion von SK Rapid Wien ist er heute für den optimalen Zustand des heiligen Grüns verantwortlich. Wie der Fußball in den vergangenen 20 Jahren schneller, dynamischer und professioneller geworden ist, so hat sich auch die Kunst, einen perfekten Rasen zu züchten und zu pflegen, in einem rasanten Tempo entwickelt. Die Zeit des traurigen Fußballackers, auf dem das Braun statt das Grün dominierte, ist längst vorbei.

"Schauen Sie sich nur die Übertragungen aus dem alten Hanappi-Stadion ab 1977 an", erzählt Gartler. "Wenn der Torraum eine Glatze hatte, war das gang und gäbe. Und darüber hat sich auch niemand mokiert. Das ist heute undenkbar. Ein guter Rasen kommt einem guten Spiel zugute. Deswegen muss man schauen, dass man mit den Spielen auf dem Hauptspielfeld sorgsam umgeht, damit die Belastung nicht zu hoch ist. Dazu muss der Rasen mit all dem Wissen gepflegt werden, das einem heute zur Verfügung steht."

Lieber natürlich

Naturrasen ist immer noch das A und O im Fußballgeschäft – trotz einiger Stadien, die auf Hybridrasen setzen, bei dem Kunststoffbänder in die Erde eingearbeitet werden. Auch der reine Plastikrasen dürfte eine Randerscheinung bleiben. Naturrasen wird von hochspezialisierten Unternehmen gezüchtet. Damit er besonders grün, dicht, geschmeidig und belastbar wird, arbeiten die Unternehmen mit Wissenschaftern zusammen.

Einer der führenden Rollrasenproduzenten ist Richter Rasen aus dem niederösterreichischen Deutsch-Brodersdorf. Seit 110 Jahren bastelt und forscht das Unternehmen am perfekten Rasen, für Fußballplätze, für Golfplätze und für Gärten. Auf dem Stadionrasen von Richter werden auch einige Fußballer bei der EM in Frankreich spielen können, etwa in den Austragungsorten Nizza, Marseille und Lille.

Der hohe Grad der Scher- und Reißfestigkeit sorgt für einen besonders strapazierfähigen Rasen. Und wie wird dieser erreicht? "Dafür ist der Anzuchtboden ausschlaggebend", erklärt Bianca Richter, Geschäftsführerin des Rasenproduzenten.

"Der Boden muss entsprechend wasserdurchlässig und bodenlufthaltig sein, darf nicht zu fest, aber auch nicht zu locker sein. Wir haben vor rund 15 Jahren den optimalen Boden für diese Anzucht gefunden. Und zwar in der Slowakei, wo wir unseren Fußballrasen auf einer Quarzsand-Düne wachsen lassen, die in der Eiszeit entstanden ist. Dieser naturgegebene und seltene Boden ist perfekt für Naturrasen."

Der richtige Mix

Dazu kommt die Mischung der Gräser, die gegen Krankheiten resistent sein und eine widerstandsfähige Textur hervorbringen sollen. Meistens findet man heute einen sehr hohen Anteil Wiesenrispengras im Fußballgrün, welches besonders strapazierfähig ist. Dazu kommt ein geringerer Anteil an Deutschem Weidelgras, was für eine feinere Textur und damit einen idealen optischen Aspekt sorgt.

Zwei Jahre lang wird der Rasen gehegt, gepflegt und auf seine harte Aufgabe im Stadion vorbereitet, bevor er verlegt werden kann. Die sogenannten Soden, die aus Gras, Wurzeln und Erde bestehen, werden mit bis zu 30 Kühl-Lkws in Rollen zum Stadion gebracht, wo die 8000-Quadratmeter-Rasenfläche auf einem gut präparierten Boden innerhalb von zwei, drei Tagen ausgerollt wird.

Mikroklima

Beim optimalen Fußballrasen sind aber auch noch andere Faktoren entscheidend. Etwa das Klima der Standorte. "Viele Stadien haben zudem ihre eigenen Mikroklimata, was mit der Bauart des Stadions zu tun hat", sagt Bianca Richter. "Das eine hat mehr Schatten, mehr Wind, das andere liegt in der prallen Sonne oder hat ein weiter auskragendes Dach. Zudem spielt die Art des Untergrundes eine Rolle." Wie lange der Rasen genutzt werden kann, hängt davon ab, ob das Stadion auch für Konzerte genutzt wird.

Im Stadion kommt es schließlich auf die richtige Pflege an. Die Zeiten als der Platzwart lediglich mit Schaufel, Rasenmäher und Schlauch arbeitete, sind vorbei. Große Vereine verfügen über einen Fuhrpark mit Spezialgerätschaften, dazu kommen ausgeklügelte Bewässerungs- und Belüftungsanlagen und Bodenheizungen für den Winter. Die Ausbildungsanforderungen des Greenkeepers sind extrem gestiegen. Bei Rapid kümmern sich fünf Angestellte um das Wohl des Hauptspielfeldes und der Trainingsplätze.

Für Gartler, den Obergärtner von Rapid, steht trotz aller Technisierung der Rasenpflege eines fest: "Der Greenkeeper muss den Rasen lieben. Und dazu gehört es eben, dass er mitleidet, wenn bei einem besonders heftigen Spiel die Grasstücke fliegen – und er daraufhin zur Tat schreitet, um den Rasen zu verarzten." (Ingo Petz, RONDO, 31.5.2016)