"Ich bin Wissenschafterin, bei so einer knappen Differenz wage ich keine Vorhersage. Herr Hofer kann es werden, ich wünsche es ihm", sagt AfD-Chefin Frauke Petry.

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Wien – Bei der blauen Wahlparty im Wiener Prater war am Sonntag auch Frauke Petry, Vorsitzende der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD), mit dabei. Im STANDARD-Interview erklärt sie, was angesichts der Flüchtlingsmisere "öffentlich gesagt werden muss". Dass FPÖ-Hofburganwärter Norbert Hofer im Wahlkampf Asylwerber quasi mit "Invasoren" gleichgesetzt hat, kommentiert sie so: "Die Wortwahl eines jeden Politikers ist individuell." Für Petry war der Tag der Stichwahl jedenfalls "ein bedeutender Tag nicht nur für Österreich, sondern für ganz Europa".

STANDARD: Sind Sie wegen der Bundespräsidentschaftswahl extra nach Österreich gekommen?

Petry: Wir hatten eine Einladung für heute Abend – und da das ein bedeutender Tag nicht nur für Österreich ist, sondern für ganz Europa, sind wir dieser Einladung auch gern gefolgt.

STANDARD: Es steht aber quasi 50:50 für die Kandidaten Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer.

Petry: Das ist eine spannende Wahl. Ich denke, sie zeigt, dass eine Partei wie die FPÖ jenseits der Etablierten Mehrheiten gewinnen kann – und unabhängig davon, wer jetzt gewinnt, zeigt es, dass es in ganz Europa ein Korrektiv zur etablierten Politik gibt. So, wie die AfD in Deutschland große Erfolge feiert, tut die FPÖ das in Österreich schon lang – und ich glaube, das zeigt, dass wir den Kurs in Österreich ändern müssen – und in ganz Europa eben auch.

STANDARD: Während des Wahlkampfs hat Hofer in Zusammenhang mit den Flüchtlingen von "Invasoren" gesprochen. Sehen Sie das Ganze auch so?

Petry: Die Wortwahl eines jeden Politikers ist individuell. Aber Tatsache ist, dass wir derzeit ja keine Flüchtlings-, sondern eine Migrationskrise sehen, in der gerade die deutsche Bundesregierung schwere Fehler begangen hat, unserer Ansicht nach auch deutsches Recht gebeugt hat und sich jetzt auf europäische Partner, unter anderem Österreich, verlässt, um dieses Problem zu lösen. Ich denke, eine illegale Migration muss strafbar bleiben, und diejenigen, die das Asylrecht wissentlich missbrauchen, verhalten sich kriminell – und das muss auch öffentlich so gesagt werden.

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STANDARD: Den Terminus "Invasoren" würden Sie auch so verwenden?

Petry: Noch einmal: Die Wortwahl eines jeden Politikers ist individuell, und ich denke, das sollte auch so bleiben. Tatsache ist, dass wir viele Migranten in ganz Europa haben, die wissentlich unser Recht missbrauchen – und deswegen braucht es darauf eine politische Antwort.

STANDARD: Soll ein Bundespräsident so reden?

Petry: Schauen Sie: Sie stellen jetzt zum dritten Mal dieselbe Frage – und ich werde sie nicht noch einmal beantworten, weil ich sie Ihnen bereits zweimal beantwortet habe.

STANDARD: Polarisiert das nicht die Gesellschaft in Österreich und ganz Europa, wenn man so einen Zugang hat?

Petry: Was Europa seit Jahren polarisiert, ist eine fehlgeleitete Politik, vor allem die der alten großen Volksparteien – und zwar nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Ländern Europas. Tatsache ist, dass es unsere Aufgabe sein muss, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auf dem gesamten Kontinent zu bewahren. Und die Politik der Grenzenlosigkeit tut genau das Gegenteil davon.

STANDARD: Was tippen Sie, wer wird vorne liegen nach Auszählung der Briefwahlkarten?

Petry: Ich bin Wissenschafterin, bei so einer knappen Differenz wage ich keine Vorhersage. Herr Hofer kann es werden, ich wünsche es ihm, aber die Wahlkarten werden entscheiden, und es werden wenige tausend Stimmen sein, die am Ende das Ergebnis herbeiführen.

STANDARD: Bei den Wahlkarten sind meistens die Grün-Wähler vorne. Haben Sie eine Erklärung dafür, warum die FPÖ-Wähler tendenziell nicht so gerne mit Wahlkarte wählen?

Petry: Nein. Ich denke, das sind unterschiedliche Traditionen in Deutschland und in Österreich – und es wählen auch in Deutschland häufig ältere Leute per Briefwahl, die dann eher konservativ wählen. Da sollten wir einfach den Tag abwarten, so lange ist es ja nicht mehr.

STANDARD: Hofer hat sich sehr zurückgehalten. Wird sich die AfD davon inspirieren lassen?

Petry: Also, die AfD macht ihre eigene Politik. Die AfD hat natürlich politische Freunde in ganz Europa. Wir haben gemeinsame Ideen, wir haben auch Unterschiede. Am Ende muss jede Partei ihren eigenen Weg finden, und wir müssen vor allem ein Prinzip wieder verinnerlichen: Gelebte Subsidiarität heißt, dass es auf europäische Ebene durchaus Gemeinsamkeiten geben kann und dass man die nationalen Unterschiede respektiert – und das sollte weiterhin so bleiben.

STANDARD: Mit dem französischen Front National und der ungarischen Jobbik macht es Ihnen nichts aus, in einem Boot zu sitzen?

Petry: Ich habe gerade schon gesagt: Die gelebte Subsidiarität für Europa, die über Jahrzehnte der Erfolgsgarant für diesen Kontinent, für wirtschaftliche Zusammenarbeit war, bedeutete immer, dass wir das Prinzip von Freiheit und Verantwortung und der Solidarität gleichermaßen bewahren. Das ist verlorengegangen, und deswegen gilt es auf nationaler Ebene zu respektieren, was die jeweiligen Parteien tun, und auf europäischer Ebene die Gemeinsamkeiten zu finden. Und da gibt es eine wachsende Euro-EU-kritische Allianz, und die gilt es weiter auszubauen.

STANDARD: Wenn Hofer die Präsidentschaftswahl gewinnt, kommen Sie dann auch zum umstrittenen Burschenschafterball in die Hofburg?

Petry: Ach, wissen Sie: Mein Terminplan ist so voll. Lassen Sie uns darüber heute Abend nicht reden, da ist noch gar nicht der Zeitpunkt dafür. (Maria von Usslar, Nina Weißensteiner, 23.5.2016)