Für den Arbeitnehmerschutz sind nicht nur Unternehmen und das Arbeitsinspektorat zuständig. Auch die Mitarbeiter selbst stellen Beauftragte, die sich daran beteiligen.

Foto: APA/DPA/Sebastian Kahnert

Wien – Es ist ein Evergreen unter den Entfesselungswünschen der Industriellenvereinigung (IV): Unternehmer sollen weniger Mitarbeiter als sogenannte Betriebsbeauftragte ernennen müssen. Dazu gehört etwa die Sicherheitsvertrauensperson, die in Betrieben mit mehr als zehn Mitarbeitern als Ansprechperson für Kollegen dient. Oder der Abfallbeauftragte, den Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern einsetzen müssen. Je nach Branche sind bis zu 20 Beauftragte nötig.

Ingrid Schöberl, in der IV für Verwaltungsreformen zuständig, fordert eine Reduzierung: "Wir hören von vielen Unternehmern, dass es mühsam ist, für so viele Dinge einen Beauftragten haben zu müssen. Erstens ist es schwierig, unter den Mitarbeitern jemanden zu finden, der den Job machen will. Dann muss jeder Schulungen und laufend Auffrischungen machen, was Zeit und Geld kostet."

Abfallrecht fordert Ressourcen

Als Beispiel nennt sie das Abfallrecht, mit dem derzeit bis zu drei Personen eines Betriebes befasst sind: Der abfallrechtliche Geschäftsführer, der Abfallbeauftragte und die sogenannte verantwortliche Person. Die beiden letzteren Funktionen könnte man zusammenlegen, so Schöberl. Außerdem solle die Abschaffung von verpflichtenden Stellvertretern ins Auge gefasst werden.

Für eine Straffung bei Umwelt- und Abfallmanagement ist auch Helmut Schwarzl, Geschäftsleiter bei der Österreich-Niederlassung des Sanitärtechnik-Herstellers Geberit. Bei der Arbeitssicherheit dürften hingegen keine Abstriche gemacht werden, plädiert er für Differenzierung.

"Es ist eine Herausforderung, Personal zu finden, das bereit ist, diese Verantwortung zu übernehmen", sagt Schwarzl zum Standard. Bei 400 Mitarbeitern am Standort bei St. Pölten gebe es inklusive Stellvertretern insgesamt 15 Beauftragte – acht Sicherheitsbeauftragte und zahlreiche Ersthelfer nicht eingerechnet. Für große Unternehmen sei der Aufwand bewältigbar, sagt Schwarzl. Schwerer hätten es KMUs.

Harald Bruckner, Experte für Arbeitnehmerschutz in der Arbeiterkammer, lässt das Argument, man finde kein Personal, nicht gelten. Wenn Mitarbeiter mit bestimmten für den Betrieb notwendigen Kompetenzen gesucht werden, würde man diese ja auch finden. "Die Unternehmen müssen eben Anreize schaffen – auch finanzielle."

Ein Drittel weniger Unfälle

Für Bruckner sind Betriebsbeauftragte ein Thema, das aus dem Entbürokratisierungsdiskurs tunlichst herausgehalten werden sollte. Beauftragte würden Arbeitgebern als ausgebildete Experten Aufgaben abnehmen und einen reibungslosen Betrieb gewährleisten. "Schafft man Beauftragte ab, würden Aufgaben und damit verbundene Kosten auf den Arbeitgeber zurückfallen", sagt der AK-Experte. Das bestehende System habe dazu beigetragen, dass die Zahl der Arbeitsunfälle in den vergangenen 20 Jahren um rund ein Drittel zurückgegangen ist.

Andere Beauftragte sind ohnehin nicht im Betrieb, sondern Externe, führt Bruckner ins Treffen: Arbeitsmediziner etwa oder die – nicht mit der vorher genannten Sicherheitsvertrauensperson zu verwechselnde – Sicherheitsfachkraft. Sie schneit in Betrieben mit weniger als zehn Mitarbeitern nur alle zwei Jahre zu einer Überprüfung herein, bei elf bis 50 Mitarbeitern einmal pro Jahr, bei mehr als 50 Mitarbeitern 1,2 Stunden pro Jahr je 100 Mitarbeiter.

WKO sieht Handlungsspielraum

Martin Gleitsmann, Leiter der Abteilung Sozialpolitik der WKO, bleibt dabei: Obwohl viele Regelungen durch EU-Recht vorgeschrieben sind, gebe es Handlungsspielraum. "Österreich übererfüllt die EU-Vorgaben. Es geht aber nicht einmal so sehr um einzelne Beauftragte als um die zu strenge Umsetzung", so Gleitsmann. Beraten statt strafen müsse das Ziel in der Vollziehung heißen. Derzeit sei es umgekehrt: "Wir nehmen wahr, dass es in den Arbeitsinspektoraten seit einigen Jahren die Vorgabe gibt, besonders rigoros zu strafen."

Gleitsmann gibt aber zu, dass Beauftragte bei weitem nicht das drängendste Problem für Betriebe darstellen: "Bei 90 Prozent aller Anfragen geht es um Arbeitszeitregeln. Das ist der größte Brocken bei der Entbürokratisierung." (Simon Moser, 23.5.2016)