Der Chef ist in seinem Überschwang kaum zu bremsen. Breites Grinsen im Gesicht, rot-weiß-rotes Fähnchen in der Hand: Heinz-Christian Strache lässt seinen Emotionen bei der Wahlparty im FPÖ-Medienzentrum freien Lauf. Norbert Hofer steht auf der Bühne und formt die Lippen zu einem bescheidenen Lächeln. Gleichzeitig schiebt er mit Nachdruck das ihm aufgedrängte Wimpelchen von sich.

Der noch jüngere Norbert Hofer 2002 als FPÖ-Chef in Eisenstadt.
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"In Demut" will er das Ergebnis des ersten Wahlgangs aufgenommen haben. Da passt der fahnenschwenkende Parteichef, der den blauen Präsidentschaftskandidaten zum gemeinsamen Siegesschunkeln ermuntern will, so gar nicht ins detailgenaue Konzept.

Rund 1,5 Millionen Menschen hat der Burgenländer im ersten Wahlgang überzeugen können, ihr Kreuz neben seinem Namen zu machen. Um die Wahl für sich zu entscheiden, fehlen ihm jetzt etwa 650.00 Stimmen.

Dass Hofer so weit vorne liegen könnte, damit hat in der Partei niemand gerechnet. Schon seine Kandidatur kam selbst für Vertraute überraschend. Für Rudolf Jauschowetz etwa. Er ist nicht nur einstiger FPÖ-Gemeinderat in Hofers Heimatort Pinkafeld und Gründer der dort in einem Heustadl angesiedelten Burschenschaft Marko Germania, die den Blauen zum Ehrenmitglied ernannte. Er bezeichnet sich auch als "väterlichen Freund" des "Buam". Jauschowetz erinnert sich an ein Zusammentreffen im Oberwarter Einkaufszentrum vergangenen Jänner. Da habe ihm Hofer gestanden, wie froh er sei, nicht kandidieren zu müssen.

Norbert Hofer im letzten Wahlduell mit Alexander Van der Bellen am Donnerstag.
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Er musste doch. Auch, wenn Herrn Jauschowetz die Leseart lieber ist, dass die freiheitlichen Sympathiebekundungen beim Neujahrstreffen in Wels den 46-Jährigen dazu bewogen hätten.

Verbindlich ans Ziel

Jetzt erledigt Hofer den Job mit vollem Einsatz. Zeigt sich verbindlich, kontrolliert, wendig. Eigenschaften, die ihm schon früh hilfreich waren. Damals, als der Dritte Nationalratspräsident nach absolvierter Ausbildung zum Flugtechniker sein Geld zunächst als Küchenplaner verdiente. Bald nach der Matura trat der Sohn eines ÖVP-Gemeinderats der FPÖ bei. Wie der Sohn, wechselte auch der Vater, von dem Norbert seinen zweiten Namen Gerwald hat, zu den Blauen. Der Junior macht die Politik erst nach einigen Jahren bei der Lauda Air zum Beruf: Zunächst 1994 als Wahlkampfleiter der pannonischen Blauen, im selben Jahr wird Hofer Obmann in Eisenstadt und sitzt bereits im Vorstand der FPÖ Burgenland.

Ab 1996 folgen elf Jahre als Landesparteisekretär. Einer seiner Chefs ist Manfred Kölly. Er erinnert sich an einen "immer freundlichen" Mitarbeiter, für den er bei dessen zweiter Ehe sogar den Trauzeugen gab. Später, bei der Abspaltung des BZÖ 2005, habe der Freund "nicht genau gewusst, wo er hinsoll, habe vor allem auf seinen Platz im Nationalrat geschaut". Als auffliegt, dass er damals ein Schriftl für den von Rot und Blau vereinbarten Postenschacher aufgesetzt hat, erklärt Hofer, er habe im Auftrag des damaligen Klubchefs gehandelt.

Der Parteichef und sein Kandidat: Noch nie hat ein Freiheitlicher auf Bundesebene mehr Stimmen bekommen als Norbert Hofer im ersten Durchgang der Präsidentschaftswahl.
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Seit Wochen nimmt Hofer vor allem in Fernseh- und Radiostationen Platz. Das mache ihm Spaß, sagt er. Hier entfaltet der heutige Vizeparteichef, der schon als Volksschüler in Redewettbewerben glänzte, sein kommunikatives Talent. Zusätzliche Kniffe hat er sich angeeignet. Zahlreiche verhaltenstechnische Seminare gipfelten Ende der 1990er-Jahre in einer Ausbildung zum Kommunikations- und Verhaltenstrainer. Eines von Hofers Spezialgebieten: "Crash-Rhetorik". Eine Fähigkeit, die nicht immer gut ankommt. Und weil Hofer, der Einfühlsame, das natürlich weiß, hat er dieses Detail im Wahlkampf aus seinem Lebenslauf getilgt.

Zu Jörg Haiders Zeiten musste jeder gestandene Blaue solche Kommunikationstrainings absolvieren. Aber nicht jeder war darin so gut wie Norbert Hofer. Er setzt dem aufgebrachten Strache-Habitus die betont sanfte Schwiegersohn-Tonalität entgegen, kennt die Wirkung nonverbaler Signale.

Norbert Hofer will gefallen. Im persönlichen Gespräch lacht er häufig. Wie ein Chamäleon passt er sich seinem Gegenüber an, findet Gemeinsamkeiten. Hofer spricht mit dem ganzen Körper: Will er einer Sache Nachdruck verleihen beugt er sich vor. Wird er verbal in die Enge getrieben, wechselt er das Thema oder lacht den Gesprächspartner aus. Das musste auch Kontrahent Alexander Van der Bellen erfahren, zuletzt in einer unmoderierten Diskussion auf ATV.

Ohne Moderator, zwei Kandidaten, eine hitzige Debatte. ATV wagte ein Experiment, die Kandidaten beschlossen zu streiten.
Andreas Trabi

Das war der Moment, der bei Joe Streibl starke Erinnerungen hervorgerufen hat. Als Kind lebte er mehrere Jahre neben dem rund zwei Jahre älteren Norbert. Fassungslos hat er die Sendung gesehen: "Diese Gestik und Mimik, dieser bedrohliche Unterton. Sobald sein Gegenüber in der Defensive ist, setzt er nach. Das hat mich sehr an früher erinnert." Streibl berichtet auch von einem sehr ehrgeizigen Hofer, "bis hin zur Verbissenheit".

Der sportbegeisterte Freiheitliche selbst würde das als "Zug zum Tor" verkaufen. Norbert Hofer als einer, der sich nicht unterkriegen lässt. So sollte die Erzählung im blauen Wahlkampf lauten. Dass man zu diesem Zweck auch Hofers Gehbehinderung aktiv thematisiert hat, war Teil der Strategie, wie FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl im STANDARD erklärte.

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Strache, Hofer, Stenzl: Rot-Weiß-Rote Einigkeit am Viktor-Adler-Platz.
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In seiner Biografie berichtet Hofer ausführlich, was an jenem Tag, als er mit dem Paragleiter aus 15 Meter Höhe abgestürzt ist, passiert ist. Außerdem erzählt er dort, wie gerne er anderen Streiche spielt. Hofer erinnert sich an die Zeit als Flugtechniker und Stimmenimitator: Ein Spaß sei das gewesen, als er die Mitarbeiter als "Niki Lauda" angerufen und zu mehr Leistung ermahnt habe.

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Hofer-Fans bei der Wahlkampfabschlusskundgebung.
Reuters/Foeger

In Absprache mit Vorgänger Martin Graf habe er im Parlament einst zu scharfer Rhetorik gegriffen, damit auch einmal ein Blauer einen Ordnungsruf bekommt – "das war vereinbart", sagt Hofer. Als freiheitlicher Verkehrssprecher schlüpfte er im März 2010 in die Rolle des Mapjet-Promoters. Allerdings ohne die Öffentlichkeit darüber zu informieren, dass er zu diesem Zeitpunkt bereits im Vorstand der PAF-Privatstiftung, des Mehrheitseigentümers des privaten Flugunternehmens, war. Darauf angesprochen, rechtfertigt sich Hofer, keinen Cent dafür bekommen zu haben.

Der andere Hofer

Norbert Hofer hat für alles eine Erklärung, ist Meister der Relativierung. Doch er kann auch anders. Nennt Flüchtlinge Invasoren, die bereit seien, Köpfe abzuschneiden. Der Konkurrent wird zum "faschistischen Diktator". Hofers Stimme bleibt dabei ruhig. Seine Aussagen macht das nicht weniger gefährlich. Von seinen abenteuerlichen Thesen über Zuwanderer überzeugt, fordert er eine eigene Sozialversicherung für Migranten. Die Folgen des Gesagten lässt er bewusst offen.

Die Werte seiner Burschenschaft hat der Kandidat verinnerlicht. Ein Austritt kommt für ihn nicht infrage. Vor fünf Jahren gibt er dem Magazin Hier & Jetzt, das der rechtsextremen NPD nahesteht, ein Interview. Fünf seiner sieben Mitarbeiter sind Mitglieder von rechten Verbindungen.

Wahlkampfabschluss der FPÖ in Wien-Favoriten.

Seine ideologische Heimat hat er sich mit dem Verfassen des blauen Parteiprogramms selbst geschaffen. Das Südburgenland ist für ihn, Ehefrau Verena und die gemeinsame Tochter Anna-Sophie (12) vor allem Wohnort. Hofer hat drei Kinder aus erster Ehe. Im Ort tritt er kaum in Erscheinung. Wenn doch, spricht er den lokalen Dialekt. "Stinknormal" sei er, sagt die Trafikantin. Was ihr besonders gefällt: "Er ist so, wie er ist, er ändert seine Meinung nicht."

Dass er manchmal die Regierung entlassen will, manchmal aber wieder nicht, stört da nicht.

Oder dass er das Verbotsgesetz erst abschaffen, dann wieder erhalten wollte. Oder dass er zu EU-Gipfeln reisen will, auf Nachfrage ohne Tonbandgerät aber zugibt, das sei noch nicht durchdacht. Oder dass er als Umweltsprecher mehrere Anfragen zu Chemtrails stellte, dem Verbreiten von Chemikalien am Himmel, seit seiner Kandidatur aber lachend zurückweist: Ein Flugzeugtechniker erkenne Kondensstreifen. Oder dass er von einem offiziellen Empfang im israelischen Parlament spricht, den es so nie gab.

Dabei springt ihm Strache zur Seite, der sich im Wahlkampf auffallend zurückgehalten hat. FPÖ-Dissident Ewald Stadler glaubt zu wissen, warum: "Strache hätte selbst gern so ein gutes Ergebnis. Wenn sie das in der FPÖ vorher gewusst hätten, hätten sie Hofer nicht aufgestellt." Damit sei ein Konflikt zwischen Strache und Hofer programmiert. Tatsächlich: Mit wem man auch spricht, nicht selten wird Hofer als künftige Nummer eins gehandelt.

Er selbst weist derartige Ambitionen besonnen lächelnd von sich – derzeit. Sollte es mit der Hofburg aber doch nichts werden, sitzt er dem Chef jedenfalls im Nacken. An Ehrgeiz wird es ihm auch künftig nicht fehlen. (Marie-Theres Egyed, Karin Riss, 21.5.2016)