Fatale Flut: Armin Baumgartner.

Foto: Martin Betz

Es ist noch nicht so lang her, als ich wie so oft sehr, sehr spät, es muss nach zwei Uhr Früh gewesen sein, aus dem Verlag heimkehrte. Im TV lief eine Dokumentation über das Verbrechen von Babyn Jar, übersetzt "Weiberschlucht", in der Nähe von Kiew, der ukrainischen Hauptstadt. Am 29. und 30. September 1941 wurden ebendort von der deutschen Wehrmacht – an nur zwei Tagen – mehr als 33.000 jüdische Männer, Frauen und Kinder in einer beispiellosen Einzelaktion ermordet. Ihre Leichen wurden sogleich am selben Ort im Erdreich verscharrt.

Das ist alles längst dokumentiert. Ebenso ist bekannt, dass die kommunistischen Machthaber in den späten 1950er-Jahren damit begannen, die Schlucht mit Erde zuzuschütten, um darauf eine Sportanlage zu bauen. Im Zuge dessen wurde ein Damm errichtet, der am 13. März 1961 aufgrund eines Hochwassers infolge einer massiven Schneeschmelze barst. Die Wassermassen überfluteten daraufhin nahegelegene Wohngebiete und wühlten die Erde auf, sodass die Gebeine der 20 Jahre zuvor Ermordeten wieder an die Oberfläche gespült wurden. In der Dokumentation kam auch eine ältere Frau zu Wort, die sich an die Katastrophe erinnerte. Die Häuser standen laut ihren Worten meterhoch unter Wasser. Sie sagte: "Wir hörten die Knochen an die Fenster und Türen klopfen." (Armin Baumgartner, 21.5.2016)