Wer konkrete Ansagen und Projekte in der ersten Regierungserklärung des neuen Kanzlers erwartet hatte, wurde enttäuscht. Was er genau unter "New Deal" versteht, wie er die Arbeitslosigkeit bekämpfen will, welche Inhalte die von ihm angestrebte Agenda 2025 enthalten soll, führte Christian Kern nicht aus. Es blieb bei den von ihm bereits in seiner Antrittspressekonferenz und seinem ersten TV-Interview angerissenen Themen und Schlagworten – das iPhone-Beispiel wiederholend.

Aber man muss Kern zugutehalten, dass er bereits geschafft hat, für Aufbruchstimmung zu sorgen. Dass ihm sein Vize Reinhold Mitterlehner nicht nur in weiten Strecken zustimmte, sondern ein "Ich will" zurief und ihm ostentativ auf der Regierungsbank die Hand reichte, zeugt von einem neuen Stil. Ob das gleich ein Zauber ist, wie von Mitterlehner beschworen, wird sich zeigen. Die Regierung Kern/Mitterlehner muss liefern, und zwar rasch, sonst verflüchtigt sich die positive Stimmung bald wieder. Um es mit den Worten Kerns zu sagen: "Ab heute läuft der Countdown um die Herzen in diesem Land."

Die Euphorie, die Kern ausgelöst hat, und die Empathie, die ihm in diesen ersten Tagen entgegengebracht wurde, zeigen auch, wie sehr man sich in Österreich nach einem neuen Politikertypus geradezu gesehnt hat, der zumindest verbal den Eindruck vermittelt: Problem erkannt und benannt.

Das wird nicht reichen. Es wird auch nicht reichen, "eine Politik des Zukunftsglaubens der Hoffnungslosigkeit gegenüberzustellen", wie Kern in der Regierungserklärung sagte. Der Glaube an die Tatkraft der Politik im Allgemeinen und an die Koalitionsparteien im Speziellen, die es 2013 zusammen ohnehin nur noch knapp über die 50-Prozent-Hürde geschafft haben, ist vielen Bürgern abhandengekommen.

Kern verspricht zumindest, an Lösungen arbeiten zu wollen. Dass er nicht nur die Minister, sondern auch die Politiker im Parlament zur Mitarbeit auffordert, ist ein kluger Schachzug. Bis auf die FPÖ haben auch alle positiv reagiert. Gerade an den Wortmeldungen von Heinz-Christian Strache beim Runden Tisch im ORF und bei seinem Auftritt im Parlament zeigt sich, dass einer, der nur mit Kritik und Verweigerung kontert, plötzlich alt ausschaut – wie einer, der sich verzweifelt gegen den frischen Wind stemmt und seine Felle davonschwimmen sieht.

Kern kann zeigen, dass nicht Reaktion, sondern Aktion die richtige Antwort ist, dass man sich nicht von einer rechtspopulistischen Partei hertreiben lassen muss, sondern eigene politische Akzente setzen kann. Er hat erkannt, dass nicht Angststarre die richtige Antwort auf die Wahlerfolge der FPÖ ist, sondern der Stillstand aufgebrochen werden muss.

Wenn Kern die Probleme anpackt, wird er auch auf Widerstand treffen, auch in den eigenen Reihen. ÖGB-Chef Erich Foglar hat ihm schon seine Forderungsliste übermittelt. Die Landeshauptleute, die in den vergangenen Jahren die wahren Regenten in dem Land waren, werden schon bald die Machtprobe suchen. Die Verhandlungen über einen neuen Finanzausgleich sind die erste Nagelprobe, ob sich die Landesfürsten dem derzeit vielzitierten Miteinander anschließen wollen und ob Kern Durchsetzungskraft auch in der Politik hat.

Spätestens im Herbst wird sich zeigen, ob die Aufbruchstimmung tatsächlich zu einem Stimmungsumschwung geführt hat. (Alexandra Föderl-Schmid, 19.5.2016)