Paris/Berlin – Die Extremistenorganisation Islamischer Staat (IS) rüstet sich nach Angaben des französischen Geheimdienstes für eine Welle von Bombenanschlägen auf Menschenmengen während der Fußball-Europameisterschaft. Geplant sei eine "neue Form des Angriffs", sagte der Chef des Inlandsgeheimdienstes DGSI, Patrick Calvar, einer am Donnerstag veröffentlichten Mitschrift zufolge vor wenigen vor dem Verteidigungsausschuss des Parlaments. Wegen drohender Anschläge bei der EM verlängerte Frankreich den Ausnahmezustand für zwei Monate. Die Polizei verfügt dadurch über mehr Rechte im Anti-Terror-Kampf.

Frankreich sei das am stärksten bedrohte Land, und es sei bekannt, dass der IS neue Anschläge plane, sagte Calvar. Die neue Strategie des IS zeichne sich dadurch aus, dass Sprengmittel an Orten mit großen Menschenmassen platziert werden sollten. Durch die Wiederholung solcher Attacken solle eine maximale Panik erzeugt werden. Dem Geheimdienstchef zufolge hat die Extremistenorganisation die Ressourcen für solche Anschläge – darunter 645 Menschen aus Frankreich, die sich zurzeit noch in Syrien oder dem Irak aufhielten. 400 davon gelten als Kämpfer.

Verlängerung des Ausnahmezustandes

Nachdem vergangene Woche schon der Senat grünes Licht für die Verlängerung des Ausnahmezustandes ab dem 26. Mai gegeben hatte, stimmte am Donnerstag die Nationalversammlung zu. Neben der vom 10. Juni bis zum 10. Juli dauernden EM soll damit auch die am 2. Juli startende Tour de France besser geschützt werden, die am 24. Juli in Paris endet. Innenminister Bernard Cazeneuve sagte, die beliebten internationalen Veranstaltungen seien potenzielle Ziele für Terroristen. Notwendig sei eine doppelte Wachsamkeit.

Der französische Ministerpräsident Manuel Valls sagte in einem Radiointerview, die Regierung habe alle Maßnahmen ergriffen, um einen reibungslosen Ablauf der Fußball-EM zu sichern. "Wir werden in unserer Wachsamkeit nicht nachlassen", betonte er.

Vor sechs Monaten waren bei koordinierten Anschlägen auf Cafes, Bars, ein Fußballstadion und eine Konzerthalle in Paris 130 Menschen ums Leben gekommen.

Auch das Bundeskriminalamt (BKA) warnt einem "Bild"-Bericht zufolge vor Anschlägen von Islamisten auf die EM. Besonders gefährdet seien das Eröffnungsspiel zwischen Frankreich und Rumänien sowie das Finale im Stade de France. Auch einzelne Teams seien bedroht. "Ein erfolgreicher Anschlag auf Mannschaften von 'Kreuzfahrernationen', zu denen Deutschland ebenfalls gezählt wird, hätte dabei besondere Symbolwirkung", zitiert die Zeitung aus einem BKA-Dokument.

51 Spiele

Eine BKA-Sprecherin äußerte sich zu dem Papier nicht. Sie betonte, es gebe keine aktuelle Terrorwarnung des BKA. Hinweise, die auf eine konkrete Gefährdung der Europameisterschaft schließen ließen, lägen nicht vor. Gleichwohl bestehe eine hohe Gefährdung durch den IS, der seine Anhänger zu Anschlägen in Europa aufgerufen habe. Im Visier stünden Großveranstaltungen, um eine größtmögliche Aufmerksamkeit zu erreichen.

Zu den 51 Spielen in zehn Stadien werden mehr als 2,5 Millionen Besucher erwartet. Vielerorts sollen Fanzonen eingerichtet werden, um Begegnungen auf großen Bildschirmen verfolgen zu können.

Der Bundesverfassungsschutz hatte erst kürzlich vor Anschlägen in Deutschland und Europa durch terroristische Kleingruppen und radikalisierte Einzeltäter gewarnt. (Reuters, 19.5.2016)