Nach 77 Jahren Suche trafen sich die Nachfahren der zwei Brüder via Skype

Foto: Katz/Screenshot

Auch wenn der Holocaust schon über 70 Jahre vorbei ist, sind seine schrecklichen Folgen noch spürbar: Beispielsweise in Familien, die durch das Nazi-Regime aufgetrennt wurden. Ein solcher Fall sorgt momentan mit einem Happy End für Schlagzeilen. Es geht um das Brüderpaar Katz, das 1939 im Ghetto von Warschau getrennt worden war. Bruder Chaim flüchtete nach Russland, während Abram bei seiner Familie blieb. Doch seine Schwester und seine Eltern fielen dem Nazi-Terror zum Opfer, Abram wurde nach Mauthausen deportiert. Nach der Befreiung des Konzentrationslagers 1945 wanderte er in die USA aus – und machte sich auf die Suche nach seinem Bruder Chaim.

70-jährige Suche

Doch das war alles andere als einfach. Zwar gab es Organisationen – nicht zuletzt das Rote Kreuz –, die sich auf die Suche nach Familienmitgliedern spezialisiert hatten, allerdings verkomplizierte der Kalte Krieg die internationale Suche. Später übernahm Abrams Tochter Michelle, sie schrieb unzählige Briefe an osteuropäische Behörden oder die israelische Gedenkstätte Yad Vashem. Da es doch immer wieder positive Meldungen über wiedervereinte Familien gab, wollte sie die Suche nicht ad acta legen.

Soziale Medien helfen

Auch nachdem Abram im Jahr 2011 im Alter von 95 Jahren verstorben war, suchte die Familie weiter. Vor wenigen Monaten übernahm dann seine Enkelin Jess, das erste digitalaffine Familienmitglied. Und siehe da: Via Facebook, themenspezifischen Suchforen und zuletzt einer russischen Social Media-Plattform konnte Jess ihre Verwandten tatsächlich finden. Via Skype telefonierte sie mit Evgeny Belzhitsky, der sich als der Sohn von Chaim entpuppte. Sein Vater hatte den Nachnamen geändert, um seine jüdische Identität zu verbergen – grassierte in Russland nach dem Zweiten Weltkrieg doch ein starker Antisemitismus. Das hatte die Suche noch schwieriger gemacht.

"Holocaust in vielen Familien lebendig"

Die traurige Nachricht: Auch Chaim war verstorben, er war laut Spiegel bereits 1970 einem Hirnschlag erlegen. Doch die Nachfahren der zwei Brüder konnten sich 77 Jahre später tatsächlich wiederfinden. Jess, die für ihre Suche nur zehn Tage gebraucht hatte, will nun andere Familien ermutigen, über soziale Medien nach Verwandten zu suchen. "Der Holocaust gehört nicht der Vergangenheit an, er ist in vielen Familien noch immer sehr lebendig", schrieb sie in einem Facebook-Post. Die Geschichte ihrer Familie belegt das. Das erste Skype-Gespräch aller überlebenden Familienmitglieder fand übrigens am 5. Mai statt – dem Tag der Befreiung von Mauthausen. (fsc, 19.5.2016)