Der Impfwille der Österreich geht zurück. 2011 waren noch 70 Prozent mit korrekten FSME-Impfschutz, 2015 nur mehr 53 Prozent.

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Wien – Ein wunderbarer Frühlingstag – nichts wie raus mit der zweijährigen Tochter, zum Bärlauchpflücken in den Wald. Ein Tag später: Am Kopf der Kleinen sitzt er, der gemeine Holzbock, Hauptüberträger von FSME, der Frühsommer-Meningoenzephalitis. Das Tier hatte genügend Zeit, sich festzusaugen. Was sofort Sorgen macht: Das Mädchen ist nicht geimpft. Noch mehr Bedenken ergeben sich eine Woche später: Die Kleine hat hohes Fieber, ein typisches Symptom für eine FSME-Infektion. Erst der Bluttest bringt Entwarnung. Alle Parameter unauffällig, alles in Ordnung. Glück gehabt, denn 2016 wird ein "extremes Zeckenjahr", so die Prognosen. Da die Spinnentiere bereits ab sieben Grad Celsius aktiv werden, hatten sie im vergangenen milden Winter besonders gute Bedingungen, sich zu vermehren.

Der effektivste Schutz gegen die Krankheitserreger ist und bleibt die Impfung, das haben mehrere Studien gezeigt. "Die FSME-Neuerkrankungen sind von rund sechs Fällen pro 100.000 Einwohner Anfang der 1980er-Jahre auf 0,9 Fälle zu Beginn des 21. Jahrhunderts gesunken", fasst Arno Lechner, Salzburger Facharzt für Infektiologie und Tropenmedizin, zusammen. Zudem "schützt das Vakzin zu rund 99 Prozent – ein Wert, den wir gerne auch bei anderen Impfungen hätten", ergänzt Rudolf Schmitzberger, Wiener Impfreferent der Österreichischen Ärztekammer und Kinderarzt.

Der Wille zur Immunisierung sei in der Bevölkerung aber mittlerweile weniger stark als noch vor ein paar Jahren, betont er: "2011 befanden sich noch 70 Prozent der Menschen im korrekten FSME-Impfschutz. 2015 waren es nur mehr 53 Prozent." Vor allem junge Menschen dürften weniger geimpft sein: "Während früher ältere Menschen von FSME betroffen waren, erkrankten in den vergangenen Jahren vermehrt Kinder und Jugendliche", so Lechner.

Vier Wochen Bangen

Eine Infektion verläuft bei Kindern unter sechs Jahren grundsätzlich milder als bei Erwachsenen. "Es kommt kaum zu einer Entzündung der Hirnsubstanz, sondern eher zu einer Meningitis", erklärt Lechner. Für Schmitzberger ein möglicher Grund, warum die Problematik unterschätzt wird, "obwohl sich der Krankheitsverlauf nicht voraussagen lässt".

Wer von einer Zecke gestochen wurde und nicht geschützt ist, kann frühestens vier Wochen danach mit dem Impfschema beginnen. "Da Kinder unter drei Jahren empfindlicher auf das Vakzin reagieren, entwickeln sie häufiger Fieber. Durch das Zeitfenster wird ausgeschlossen, dass Impfreaktion und Infektion zusammenfallen", erklärt der Tropenmediziner.

Wer schon eine oder zwei Teilimpfungen erhalten hat, sollte nach einem Zeckenstich rasch innerhalb von 48 Stunden handeln. "Der Aufbau von Antikörpern erfolgt schneller, als die Inkubationszeit durch FSME ist. So lässt sich nachträglich der Infektionsschutz erhöhen", so Lechner.

In Österreich wird die FSME-Impfung ab dem ersten Lebensjahr empfohlen. "Kinder, die in Hochrisikogebieten leben, sollten sich früh impfen lassen. Wer nicht in einer durchseuchten Gegend wohnt und keine Ausflüge in Risikoregionen unternimmt, kann mit der Impfung bis zum sechsten Lebensjahr warten", meint Lechner. Es gibt allerdings auch Infektionen, ohne dass der Betroffene vorher gestochen wurde. So gab es im Jahr 2008 sechs FSME-Fälle in Vorarlberg, die durch unpasteurisierten Frischkäse aus Ziegenmilch hervorgerufen wurden – auch das eine Folge durch das milde Klima in immer höheren Lagen. (Günther Brandstetter, 22.5.2016)