Das Dach der Präsidentschaftskanzlei in Wien. Am 22. Mai 2016 wird entschieden, welches Frauenbild in die Hofburg einzieht.

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Am Sonntag wird der zukünftige Bundespräsident Österreichs gewählt. Für den Frauenring als Dachorganisation österreichischer Frauenvereine ist in dieser Stichwahl zwischen Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer wesentlich, wie er es mit dem Selbstbestimmungsrecht der Frauen hält und welches Frauenbild er insgesamt hat.

Ablinger: "Frauenbild aus vorletztem Jahrhundert"

Bereits im STANDARD-Interview wandte sich der FPÖ-Präsidentschaftskandidat gegen den neuen offiziellen Text der Bundeshymne, in dem neben den "großen Söhnen" auch die "großen Töchter" besungen werden. Dazu die Vorsitzende des Österreichischen Frauenrings, Sonja Ablinger: "Norbert Hofer beweist mit seinen Äußerungen über die 'Töchter' in der Bundeshymne und über das Selbstbestimmungsrecht der Frauen, dass er mit einem modernen Frauenbild große Schwierigkeiten hat." In einer Stichwahl zwischen Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer, sagt Ablinger, falle ihr die Entscheidung leicht, denn sie wolle keinen Bundespräsidenten, der ein "Frauenbild aus dem vorletzten Jahrhundert" präge.

Und Eszter Dorner-Brader, Generalsekretärin des überparteilichen Frauenklubs Alpha: "Wenn Herr Hofer die Nationalhymne, wie sie seine Mutter und seine Großmutter gesungen haben, singen möchte, möchte er vielleicht auch zur Gesetzgebung zurück zur Zeit seiner Mutter und Großmutter. Bei dieser Bundespräsidentenwahl gibt es keine Alternative zu Van der Bellen."

Hofer will "Bedenkzeit" vor Abtreibung

Im "Handbuch freiheitlicher Politik", dessen Verfasser Norbert Hofer ist, wird die Gebärmutter als "Ort mit der höchsten Sterbewahrscheinlichkeit in Österreich" beschrieben. Während sich Van der Bellen in der von Corinna Milborn moderierten Puls-4-Diskussion mit beiden Präsidentschaftskandidaten für das uneingeschränkte Recht von Frauen auf Abtreibung aussprach, forderte Hofer die Einführung einer verpflichtenden Bedenkzeit für Frauen, bevor diese eine Abtreibung vornehmen lassen.

Wer wird Präsident?

Darauf bezugnehmend äußert sich die Verfassungsjuristin und stellvertretende Vorsitzende des Frauenrings, Brigitte Hornyik: "Wir brauchen auch keinen starken Mann, der uns Nachdenken verordnet: Als mündige Menschen können wir selber denken, keine Frau entscheidet sich leichtfertig für einen Schwangerschaftsabbruch."

Virtuelle Kopftuchdebatte

Hofers Büro ließ im Rahmen der Regierungsangelobung mit der Ankündigung aufhorchen, der FPÖ-Kandidat hätte die neue Staatssekretärin Muna Duzdar nur ohne Kopftuch angelobt. Religion dürfe keine Rolle spielen, sagte Hofers Pressesprecher dem "Kurier" über Duzdars muslimische Wurzeln. "Aber wenn sie bei der Angelobung Kopftuch trägt, wird er sie nicht angeloben. Das ist ein Symbol für die Unterdrückung der Frau."

Die Diskussion geht allerdings ins Leere: Duzdar, deren Eltern aus Palästina stammen, trägt gar kein Kopftuch. Über die "Religionsierung der Politik" und die Reduktion auf ein Muslimischsein twittert sie selbst:

Gender Mainstreaming als "Auflösung der Familie"

Das Konzept von Gender Mainstreaming, also die Strategie zur Gleichstellung der Geschlechter auf allen Ebenen, lehnt Hofer ab. In besagtem Handbuch schreibt er dazu: "Ziel von 'Gender Mainstreaming' ist nichts anderes als die Schaffung des 'Neuen Menschen', das sich bereits Marxisten-Leninisten auf die Fahnen geheftet hatten." Gender Mainstreaming sei eine gesellschaftspolitische Strategie, um die "Auflösung der Familie" voranzutreiben.

Die Geschäftsführerin des Vereins Autonomer Österreichischer Frauenhäuser und stellvertretende Frauenringvorsitzende Maria Rösslhumer stellt fest: "Ein Bundespräsident, der Österreich ab 2016 repräsentieren soll, aber Mädchen und Frauen vollkommen ausblendet und nicht berücksichtigt, blendet 52 Prozent der österreichischen Bevölkerung aus. Das ist frauenverachtend und eine gravierende Menschenrechts- und somit Frauenrechtsverletzung."

Hofer wendet sich zudem gegen die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare. Die Homo-Ehe und ein Adoptionsrecht für Lesben und Schwule lehnt er ab. Im Parteiprogramm der FPÖ heißt es: "Die Lebensgemeinschaft von Mann und Frau wird durch das Kind zur Familie. Wer alleinerziehend Verantwortung übernimmt, bildet mit den Kindern eine Familie."

Katholische und kommunistische Frauen für Van der Bellen

Auch die Katholische Frauenbewegung Österreichs hat sich am Mittwoch für Van der Bellen ausgesprochen. Ausschlaggebend dafür war die Behauptung von FPÖ-Frauensprecherin Carmen Schimanek, die katholischen Frauen hätten eine "Wahlempfehlung für Norbert Hofer" abgegeben. Schimanek habe diese Behauptung auch nicht widerrufen, nachdem sie auf die Unrichtigkeit hingewiesen worden sei, erklärte die Katholische Frauenbewegung in einer Aussendung. Zwar habe sich die Katholische Frauenbewegung zunächst nicht dezidiert für einen Kandidaten ausgesprochen, so deren Vorsitzende Veronika Pernsteiner. Infolge des "Vorfalls" habe man die Positionierung aber überdacht und rufe daher dazu auf, Hofer nicht zu wählen. Die Bewegung "empfiehlt die Wahl von Alexander Van der Bellen".

Die KPÖ-Frauensprecherin Heidi Ambrosch schließt sich dem Aufruf für Van der Bellen an und warnt: "Norbert Hofers Ankündigungen, seine den Parteien übergeordneten Kompetenzen auch praktisch anwenden zu wollen, sprich nach eigenem beziehungsweise FPÖ-Ermessen Bundesregierungen ihres Amtes zu entheben, müssen ernst genommen werden."

Am Sonntag wird also entschieden, wer in die Hofburg einziehen wird und welches Welt- und Frauenbild das zukünftige Staatsoberhaupt mitbringt. (Christine Tragler, 19.5.2016)