Mittwochvormittag hat es noch so ausgesehen, als würde Israels Koalition durch die Hereinnahme der Arbeiterpartei nach links erweitert, am Abend war dann aber plötzlich so gut wie sicher, dass das Land "die rechteste Regierung seiner Geschichte" bekommt, wie viele Kommentatoren es ausdrückten. Premier Benjamin Netanjahu soll Avigdor Lieberman den Posten des Verteidigungsministers angeboten haben, um sich mit den sechs Mandaten von dessen weit rechts stehender Partei "Israel unser Heim" zu verstärken. Damit hätte Netanjahu, der sich seit seinem Wahlsieg vor einem Jahr mit einer Mehrheit von nur einer Stimme im 120-köpfigen Parlament durchmanövriert hatte, eine relativ stabile Basis von 67 Mandaten.

Ob Jitzhak Herzog, der uncharismatische Chef der Arbeiterpartei und der Opposition, dabei nur als Köder benützt wurde oder Netanjahu ernsthaft mit ihm verhandelt hatte, war nicht klar. Herzog hatte jedenfalls die Spaltung seiner Partei riskiert, weil viele der sozialdemokratischen Abgeordneten ihm die Gefolgschaft verweigern wollten, wenn er in die Regierung Netanjahu "hineinkriechen" sollte.

"Historische Chance"

Herzog hatte argumentiert, er würde Verhandlungen mit den Palästinensern aufnehmen können und es gebe eine "historische Chance auf eine regionale Entwicklung, die das Antlitz des Nahen Ostens verändern könnte". Am Ende stand er als der Blamierte da und musste sich gegen Rücktrittsaufrufe aus der eigenen Partei wehren.

Gedemütigt wird auch der gegenwärtige Verteidigungsminister Moshe Jaalon, ein ehemaliger Armeechef, der als Vernunftanker in der Regierung gilt. Reibereien mit dem Boss Netanjahu hatte es zuletzt gegeben, weil Jaalon einen hohen Offizier in Schutz nahm, der einen umstrittenen Vergleich zwischen der politischen Lage in Israel und jener im Europa der 1930er-Jahre angestellt hatte.

Lieberman seinerseits hatte Netanjahu ein Jahr lang aus der Opposition heraus scharf angegriffen. "Wenn es wahr ist, dass uns der Verteidigungsminister, die Todesstrafe, Pensionsreformen und anderes angeboten wird, dann können wir darüber reden", zeigte sich Lieberman jetzt zur Zusammenarbeit mit Netanjahu bereit. (Ben Segenreich, 18.5.2016)