Sammler unterscheiden zwischen Fanshop-Trikots und tatsächlichen Spielertrikots – wenn sie können.

Foto: Simon Jelinek

Wien – Tshering Dorji ist kein Star des internationalen Fußballs. Ja, der Student war bis zum Frühjahr des Vorjahres nicht einmal daheim in Bhutan wirklich wer. Am 12. März 2015 schoss der Mittelfeldspieler aber die Nationalmannschaft des Himalaja-Königreichs zum ersten Erfolg in einem WM-Qualifikationsspiel – 1:0 in Colombo gegen Sri Lanka. Dorjis in diesem Spiel getragenes Leiberl wäre für die einschlägige Klientel nicht gerade die Blaue Mauritius des Sammelns sogenannter "Matchworn"-Trikots, aber ein gutes Beispiel dafür, wie auch kleine Namen theoretisch Rendite erzielen könnten.

Simon Jelinek war mitverantwortlich dafür, dass rund 70 Trikots der bhutanischen Nationalmannschaft nach dem Coup von Colombo ihren Weg in europäische Sammlungen fanden. "Wir hatten einen Kontakt zum Verband, der hat die Trikots zum Selbstkostenpreis, 30 oder 40 Euro, geschickt, einige werden auch matchworn gewesen sein", sagt der 29-jährige Bankbeamte, der selbst keines behalten hat. Eine Frage des Sammelgebiets. Jelinek, der auf die Sache mit den Trikots gekommen ist, weil die Eltern, berufsbedingt Reisende, ihrem kleinen Rapid-Anhänger diverse Leiberln mitbrachten, ist auf Trikots österreichischer Spieler im Ausland spezialisiert. Und da eben auf Matchworn-Stücke, also tatsächlich während eines Spiels getragene. Die kommen ungewaschen in die Sammlung, "die Gebrauchsspuren, die Grasflecken machen einen Teil des Werts aus. Und wenn sie zwei Tage am Balkon hängen, ist der Geruch weg. Sammler von Fußballschuhen hätten es da schwerer, die werden öfter getragen", sagt Jelinek, dem allerdings kein einschlägiger Fanatiker bekannt ist.

Allesamt Unikate

Der Definition entsprechend sind Matchworn-Trikots allesamt Unikate. Und sie unterscheiden sich von der Masse der Fantrikots, wie sie von den Klubs selbst und deren Ausstattern im Handel verkauft werden. Je größer die Liga, je bedeutender der Verein, desto wahrscheinlicher ist es, dass echte Spielertrikots, ob nun gebraucht oder nicht, gar nicht gehandelt werden. Ein Lionel Messi läuft niemals mit einem Leiberl auf, wie es im gewaltigen, zweistöckigen Fanshop des FC Barcelona im Camp Nou um rund 90 Euro zu kaufen ist – exklusive Beflockung, wie der Vorgang genannt wird, mittels dessen der Name auf das Trikot kommt.

Steffen Hofmann, bei Rapid der Elfer, war bei 1860 München der Zehner. Eines von nur 16 Leiberln.
Foto: Simon Jelinek

Spielerware ist meist aus besserem, leichterem Material, in jedem Fall aber komplett mit allen Sponsorenlogos. Ein Unterscheidungsmerkmal sind die Größenangaben durch Zahlen von sechs bis zehn. Ein M für medium ist auf einem Trikot, das für Lionel Messi vorgesehen war oder das er tatsächlich getragen hat, nicht zu finden.

Getragene Messi-Trikots sind zu finden – auf regelrechten Auktionen, aber auch im Netz auf spezialisierten Seiten. Eine der größte ist sport-auktion.de. Dort werden sie um mehrere Tausend Euro gehandelt. Das ist nicht die finanzielle Region, in der sich Simon Jelinek bewegt. Ein David Alaba um 500 Euro wäre wohl gerade noch im Rahmen.

4000 Trikotsammler

Jelinek gründete eine Facebook-Gruppe zum Thema, die zuletzt 4000 Mitglieder, vor allem aus Österreich, Deutschland und der Schweiz, versammelt. Er ist auch Mitbegründer des "Bunds der Trikotsammler", eines in Deutschland registrierten Vereins, "weil es dort viel mehr Sammler gibt". Ziele des Vereins sind die Herstellung von Kontakten und der Austausch von Informationen. Denn mit dem Wert von Matchworn-Trikots steigt auch die Versuchung, sie zu fälschen. "Es gibt vermehrt gefälschte Ware aus Asien", sagt Jelinek.

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Grasflecken, plastifiziertes Logo: echtes Mainz-Trikot, getragen von Julian Baumgartlinger.
Foto: Simon Jelinek

Tatsächliche Echtheit ist mehr oder weniger nur dann garantiert, wenn das Trikot möglichst unmittelbar nach dem Match vom Spieler selbst kommt – ab einem gewissen Promifaktor ein Ding der Unmöglichkeit. Grasflecken ist nur bedingt zu trauen, mehr zählen da die beschriebenen Stoffunterschiede oder Logoaufdrucke – plastifiziert weist eher auf Echtheit hin als gestickt. Verkaufen die Vereine Matchworn-Trikots – ein Trend, der erst langsam im Entstehen ist -, gibt es natürlich Zertifikate. So oder so muss der Sammler kundig sein oder kundige Ratgeber haben. "Die Trikots brauchen ihre Geschichte", sagt Jelinek, der sich mit dem Fußball und seinen Protagonisten auskennt. "Recherche gehört dazu. Ohne Recherche kann man sehr viel Geld in den Sand setzen."

Dafür, dass sich Wissen und auch eine gewisse Nase für Entwicklungen auszahlen können, hat Jelinek kleine, feine Beispiele. Er ergatterte etwa ein Trikot, das Florian Grillitsch 2014 in einem Spiel der Regionalligamannschaft Werder Bremens trug.

Grillitsch verdoppelt

Inzwischen ist Grillitsch ein fixer Bestandteil der Bremer Bundesliga-Truppe und obendrein österreichischer Teamspieler. Das seinerzeit um 40 Euro gekaufte Trikot "ist heute sicher knapp 100 wert". Auf mehrere Hundert Euro kommt ein Leiberl, das der langjährige Rapid-Kapitän Steffen Hofmann in einem Pflichtspiel für 1860 München trug. "Er hat für die Löwen nur 16-mal gespielt, ich habe aber eines davon."

Meist wird man solcher Stücke nur deshalb habhaft, weil Vereine oder Spieler Matchworn-Trikots für karitative Zwecke spenden, also in den Verkauf bringen. Es gibt natürliche Beschränkungen. So wäre ein von Christian Fuchs in der am Sonntag beendeten allerersten (und für vermutlich lange Zeit letzten) Meistersaison von Leicester City getragenes Trikot eine echte Pretiose. "Aber in der englischen Premier League ist es so, dass die Spieler nicht unbegrenzt Trikots bekommen, also sie auch nicht leicht hergeben." Einen Tshering Dorji zu ergattern wäre da vergleichsweise ein Kinderspiel. (Sigi Lützow, 26.5.2016)